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Rechtschreibforum

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51. Vom Schicksal

Autor:Dirk
Datum: Di, 04.02.2014, 17:01

Hallo, ich hoffe, es stört nicht, dass ich gelegentlich um Hilfe in diesem Forum bitte.
Wer orthografische oder grammatische Anmerkungen für den unten stehenden Text geben möchte, dem sage ich schon mal vielen Dank. Ansonsten bitte ich um Nachsicht. :-)

Viele Grüße

Dirk

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Đe Ghê fragte seinen Meister: „Ehrwürdiger Meister, was ist mein Schicksal? Ist mir jeder Schritt vorherbestimmt? Ist es egal, was ich sage oder was ich einem anderen tue? Hört: Heute Morgen beobachtete ich einen zwielichtigen Zauberer unten im Dorf bei seinen magischen Vorführungen für die Leute. Ich habe laut gelacht, weil ich die Spielerei durchschaute. Da ergriff dieser Mann wütend meine Hand und sagte mir ein Leben in Not und Elend vorher. Er meinte, dies sei mein Schicksal. Jetzt bin ich in großer Angst. Erhabener, bitte sagt mir, was soll ich tun?“
Der Meister sprach: „Wie entsteht das kostbare Getränk? Sind es ausschließlich die Blätter der Pflanze, die einen Tee als solchen ausmachen? Oder ist es das Wasser oder vielmehr die kochende Hitze? Ich sage dir: Bei der Zubereitung erfüllt jedes Element seine ganz bestimmte Aufgabe. Ich sage dir auch: Eine Zeremonie wird durch die Verbindung von Anfang und Ende bestimmt. So könnte es ein andermal geschehen, dass die Blätter der Pflanze einen Kaiser vergiften, dass dem Wasser die Macht gegeben ist, einen großen Meister zu ertränken und ebenso, dass ein menschlicher Leib durch unbändige Hitze restlos verbrennt. Das große Geheimnis besteht im unbekannten Zusammenspiel aller Möglichkeiten und den Folgen des tatsächlichen Geschehens. Es liegt bei den einzelnen Elementen an und für sich, als auch bei den Aufgaben, die ihnen zuteil werden. Die Zahl der Möglichkeiten erscheint unendlich, und trotzdem sind Wanderer und Weg derart aneinander gebunden, dass es der Erfüllung beider entspricht.
Đe Ghê schaute nachdenklich zu Boden und schilderte dem Lehrer seine Gedanken: „Meister, ich bin verwirrt. Bedeutet dies nun, dass uns jemand sagen kann, was uns im Leben erwartet, oder ist das Gegenteil der Fall?“
Der Meister sprach: „Sage mir, junger Schüler, wenn du eine Tulpenzwiebel in den Boden setzt, was wächst daraus?“
Đe Ghê gab daraufhin zur Antwort: „Eine Tulpe, ehrwürdiger Lehrer.“
Der Erhabene erwiderte: „Genau so ist es. Aus einer Tulpenzwiebel sprießt eine Tulpe, ein gesätes Weizenkorn verwandelt sich naturgemäß in eine Ähre. Dem Ei einer Taube entschlüpft eine Taube. Die Stute gebärt das Fohlen. Ein Mensch entstammt einem anderen Menschen. Der Werdegang des Ahornbaumes ist untrennbar verbunden mit dem Samen, dem er entspringt. Andererseits: Gibt es nicht außerdem den weißen Raben, der anders ist als alle anderen, und den wir doch aus gutem Grund einen Raben nennen können? Es schritten bereits Kälber mit zwei Köpfen über den Boden der Erde. Ein Fuchs mit drei Beinen bleibt trotzdem ein Fuchs. Das Schicksal ist der Weg, den das Leben nimmt, um dorthin zu gelangen, wo es wächst, um zu werden, was es ist. Jedes Lebewesen ist einzigartig und nimmt seinen Platz in dieser Welt ein – kein anderes könnte dies stattdessen auf eine vollkommenere Art und Weise erfüllen. Und nun verrate mir: Was weiß ein selbsternannter Hexer oder gar ein einfacher Mönch wie ich von den unvorhersehbaren Wendungen des Lebens in all seiner Fülle? Der Erwachsene gleicht oftmals einem Kind, das andächtig in den Sternenhimmel schaut und winzige Lichter in der Tiefe der Dunkelheit funkeln sieht. Je nach Neigung, doch sehr wahrscheinlich, findet ein Suchender in diesem großartigen Schauspiel mehr Fragen, als dass er Antworten darauf geben kann. Der Glaube an Schicksal bedeutet deswegen, im Ganzen einen bestimmten, einen wohlgesonnenen, einen guten Grund zu erkennen. Es ist ein Grund der Vollkommenheit. Es ist ein Grund von der Bestimmung aller Dinge, eine Wirkung hin zum Besten zu sein. So bleibt das Schicksal als ein großes unbekanntes Konzept vor uns verschlossen, indem es die Bestimmung zu einem Weg macht, der Anfang und Ende verbindet. So kommt es, dass du mir geduldig deine Fragen stellst und ich dir gerne Antwort geben will, so gut es geht. Unsere Unterschiede gegenseitig zu würdigen, und uns doch einander anzugleichen, das ist ganz offensichtlich Teil unserer Bestimmung. Was unser Schicksal ist, das allerdings vermag niemand ganz und gar zu sagen. So ist es egal, ob du auf die Idee vom Schicksal vertraust oder sie leugnest. Der unschätzbare Wert deines Wesens wird dadurch niemals in Frage gestellt.“
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