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Re: Schriftsteller und Sprache und rechtschreibung Link

Autor:Rolf Landolt
Datum: So, 02.09.2007, 16:41
Antwort auf: Re: Schriftsteller und Sprache (Olsen)

> da stellt einer fest, daß man seinen sprachlichen "Lebensraum" antastet [...], und dementsprechend wehrt er sich.

Wer tastet hier was an? Es ist auch mein lebensraum, der eines 7-jährigen schülers, der eines linguisten. Es ist kein problem, dass die schriftsteller keine lust hatten, über rechtschreibung zu diskutieren (Reich-Ranicki: «Das kommt sowieso nicht!»), aber eine tabuzone zu errichten, geht auch nicht und ist bei schriftstellern besonders bedenklich. Niemand hat einen anspruch darauf, dass die welt angehalten wird. Schöpferische unruhe, ja «schöpferische zerstörung», um Schumpeter zu zitieren, gehören zur weltordnung. Es ist auch nicht so, dass die schriftsteller geschlafen hätten, wie Gauger und akademiepräsident Meier meinten (das wäre ja das allerbedenklichste!). In ihrem innersten wissen sie, dass sie die rechtschreibung (wie die papierherstellung) nicht mehr angeht als irgendwen sonst. Jacob Grimm brachte es schon 1854 auf den punkt: «Was sollte die änderung den schriftsteller angehn, dem daran liegt seine gedanken ungehemmt und ungezwungen äuszern, dem es lästig fallen musz sich und seine leser durch anstände in der form, die er längst bewältigt zu haben meint, aufhalten zu lassen? Die meisten schrieben, wie sie es in der schule oder sonst im leben sich angewöhnt hatten und überlieszen wiederum den setzern die schreibart nach blieben zu verändern, d. h. dem vorherschenden brauch zu bequemen.»

> wenn er nachweist, daß eine neue Vorschrift seine Ausdrucksmöglichkeiten beschneidet.

1. Was will Ralph Giordano mit schiffahrt ausdrücken («Nur über meine Schriftstellerleiche!»)? Etwas konkreter müssten wir es haben. Die bekannten fälle im meer der literatur lassen sich an einer hand abzählen. Ein sehr fleissiger reformgegner hat 3 belege zu gräulich/greulich gefunden, z. b. bei Thomas Hürlimann: «... sämtliche Hilfsbibliothekare, alle verschwitzt, gräulich verstaubt.» Abgesehen davon, dass Hürlimann auch «graulich» schreiben könnte: Was macht er bei einer lesung? So ist es auch mit der unentbehrlichkeit der substantivgrossschreibung. Haben die schriftsteller verfügt, dass ihre werke nicht in braille oder als hörbuch publiziert werden dürfen?

2. Niemand macht dem schriftsteller vorschriften. Die frage lautet also eher: ... wenn er nachweist, dass ihn die jetzt 7-jährigen, die ohne die vorschriften betr. schiffahrt, frischgebacken, gräulich/greulich aufwachsen, nicht mehr lesen können. Oder dass die künftigen schriftsteller, die von diesen vorschriften nichts mehr wissen, ein schlechteres deutsch reden und schreiben werden (falls jemand weiss, was im jahr 2066 gutes deutsch sein wird). Der nachweis scheitert schon daran, dass auch die heutigen leser die «vorschriften» nicht intus haben (vgl. den beitrag von Rolf Keller). Nicht einmal die schriftsteller selbst: «Wenn man übrigens mit Menschen aus dieser Gruppe direkt das Gespräch sucht, geben sie oft unverblümt zu, dass sie entweder die Regeln gar nicht kennen (und sich an dieser Stelle voll auf ihre Lektoren verlassen) oder dass sie ihnen herzlich gleichgültig sind.» (Sitta, NZZ, 5. 10. 2004) Wenn es anders wäre, hätten sie die einladung der «Zeit» zu einem diktat angenommen. Sie haben vielleicht recht: Das bestehen eines diktats ist eventuell keine voraussetzung für das lesen. (Das wäre nicht demokratisch, aber es kann sein.) Nur: Wenn es so ist, wo ist dann das problem? Dann schreibt doch in alle ewigkeit schiffahrt, frischgebacken, gräulich/greulich! Und sein/seyn und Thränen! Nun kommt das argument mit den schulbüchern, und das ist die eigentliche entlarvung einiger schriftsteller: grosse worte, aber das gejammer eines subventionierten landwirts.

Rolf Landolt

 

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