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Ich lebe in der Nähe von Hannover, habe in den letzten Jahren aber auch in der Nähe von Hamburg und auch in Ostfriesland gelebt. Verwandte wohnen im Frankfurter Raum - überall war keine Spur vom doppelten Perfekt zu entdecken. Wäre es eine normale Erscheinungsform innerhalb der Zeitformen, fiele es wohl kaum - wie mir - so vielen Menschen auf.

Das ist ja alles niederdeutsches Sprachgebiet. Da ist das doppelte Perfekt unbekannt, jedenfalls historisch. Was Frankfurt betrifft, habe ich eben schon erwähnt, dass Goethe es wahrscheinlich kannte, da er andernfalls wohl nicht das doppelte Plusquamperfekt benutzt hätte. Die weitere Entwicklung kenne ich nicht und weiß nicht, wo genau die Linie des doppelten Perfekts historisch und aktuell verläuft. Es wird sich wohl in der Nähe der Speyerer Linie im Westen bzw. der Grenze zwischen Oberdeutsch und Mitteldeutsch abspielen.

Ich weiß nicht, was dich zu dieser Aussage veranlasst, aber alle sechs Zeitformen werden im Mündlichen benutzt, selbst das Präteritum, das eben im Schriftlichen seinen Platz hat, wird bei bestimmten Verben regelmäßig verwendet (z.B. bei den Hilfs- und Modalverben).

Ich habe ja ausgeführt, welche 5 Zeitformen hier verwendet werden. Das Plusquamperfekt und das Futur II werden hier definitiv nicht benutzt. Ich weiß nicht wie es im Norden aussieht, wobei ich auch noch nie gehört habe, dass mein Bekannter aus Hannover eine dieser beiden Zeiten benutzen hat. Aber es wäre auch nicht von Relevanz, da man die gesprochene Sprache nicht auf dem neuhochdeutschen Sprachgebiet vereinheitlicht betrachten kann. Selbst wenn man es täte und die 6 Zeitformen im Norden vorkämen, wäre es falsch von 6 zu sprechen, nachdem es mit dem doppelten Perfekt dann schon mindestens eine siebte gäbe.

Es tut mir leid, das so sagen zu müssen, aber diese Aussagen stimmen einfach nicht, sind reine Behauptungen. Einmal abgesehen davon, dass Belletristik sicher anderen Regeln folgt als die Schriftsprache in anderen Bereichen, stehen dir im Roman auch sämtliche Zeitformen zur Verfügung.

Es kommt darauf an. Schreibe ich eine Erzählung im Standardtempus Präteritum ohne Zeitwechsel, ohne Vorausblenden, etc. eben nicht. Dann darf ich kein Futur verwenden und viele sind auch der Meinung, dass man in diesem Fall das Präsens nicht verwenden darf. Will ich dann aber innerhalb der Erzählung in die Zukunft blicken, muss ich den Konjunktiv verwenden, weil mir das Futur I eben nicht zur Verfügung steht. Dieser futurische Konjunktiv kann übrigens durchaus als weitere Zeitform gesehen werden, womit wir schon wieder bei mehr als 6 wären.

Natürlich kann ich theoretisch in die Gegenwart des Erzählers wechseln oder einen Dialog erfinden, in dem jemand das Futur I oder sogar II benutzt. Aber das sind eben nur theoretische Möglichkeiten, für die ich unter Umständen meinen kompletten Roman umstrukturieren müsste oder schlechte Dialoge schreiben müsste. In der Praxis also kann ich nicht alle Zeiten verwenden (dafür eben andere wie den Konjunktiv für Zukünftiges). Das gilt im gesprochenen Bereich genauso. Ich kann theoretisch zum Metzger gehen, aus der Schriftsprache adaptieren und sagen: "Geben Sie mir bitte noch ein Paar Würstchen für morgen dazu. Das Schnitzel werde ich dann schon gegessen haben. Und die Würstchen haben mir letztes Mal besser geschmeckt als die, die ich davor gehabt hatte." In der Theorie geht das. In der Praxis aber laufe ich Gefahr, dass mir die Metzgerin den Fleischhammer hinterherwirft. Darum ging es. In einem theoretischen Konstrukt existieren die 6 Zeitformen (und selbst da halte ich von diesem Modell nicht allzu viel), in der Praxis aber gibt es kaum Situationen, wo sie wirklich die realen Ausdrucksmöglichkeiten korrekt wiedergeben.