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> Oh doch, er wird mancherorts lauthals bezweifelt. Oft genug
> lautet das Credo: "Ist doch egal, es kommt nur auf den
> Inhalt an. Wer über Rechtschreibfehler spricht, ist ein
> verachtenswürdiger, reaktionärer Oberlehrer oder
> Korinthenkacker!"
Ich hätte vielleicht genauer sagen sollen: noch nie hat einer, der bis drei zählen konnte, den Nutzen einer orthographischen Orientierungshilfe bezweifelt (und ich hätte ergänzen müssen: inzwischen können auch viele Akademiker nicht mehr bis drei zählen). Ich weiß: wer heute noch Wert auf richtiges Deutsch legt, gilt als kleinkariert, wer gar andere auf Fehler aufmerksam macht, begeht damit einen schweren Tabubruch: je dümmer einer ist und je und rücksichtsloser er die deutsche Sprache und damit sein lesendes Gegenüber behandelt, desto mehr Rücksicht steht ihm seiner Meinung nach selbst zu. Nach herrschender Auffassung kommt es nicht auf die Form an, sondern tatsächlich nur auf den Inhalt. Daß sich Inhalte in ungeeigneten Formen schlecht transportieren lassen, fällt dabei nicht weiter auf, denn meist werden die dünnflüssigsten Inhalte in der löcherigsten Grammatik befördert, und da ist ja dann ziemlich egal, was beim Leser ankommt.
> Die RS-Reform wurde erst etliche Jahre nach ihrer Festschreibung
> plötzlich durch die Massenmedien zum Thema gemacht. Diese Medien
> drücken doch immer irgendetwas ins Licht der Öffentlichkeit, und
> wenn das Thema ausgelutscht ist, suchen sie sich ein neues.
> Schreibt irgendeine Zeitung noch vom Waldsterben? Nein. Hat sich
> beim Waldsterben viel geändert? Nein.
Bezeichnenderweise hat das „Medientheater“ an der fatalen Reform – anders als am Waldsterben – eine ganze Menge geändert. Es waren nämlich keineswegs nur stammelnde Neandertaler, die sich gegen die oktroyierten Regeln wehrten, sondern ganz maßgeblich Vertreter der schreibenden Zünfte, die sich betroffen fühlten. Die mußten sich dann die Anschuldigung gefallen lassen, die lange vorbereitete Reform viel zu spät zur Kenntnis genommen zu haben. Ein anmaßender Vorwurf, wenn man bedenkt, daß es nicht die Aufgabe etwa eines Schriftstellers ist, sich mit den unausgegorenen Überlegungen akademischer (hier bitte bis drei zählen) Gremien zu befassen. Ein Günter Grass hat vermutlich erst in dem Moment von der Reform Notiz genommen, als er entsetzt feststellte, daß seine Prosa im Begriff war, vom Lektor bzw. Korrektor in eine höchst befremdliche Form geknetet zu werden.
Selbstverständlich hat die Reform die grassierende Verblödung nicht herbeigeführt. Sie ist Symptom, Ergebnis und und Verstärker.