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Erklärung der Schreibweise Qu/Alphabet-Entwicklung

Autor:Pumene
Datum: Mo, 02.03.2020, 14:36
Antwort auf: Re: Karantäne (Rößner Wolf-Rüdiger)

Die „merkwürdige“ QU-Schreibung für „KW“ gibt es, weil die Römer beim Zeichen „V“ sowohl „u“ wie „w“ lesen konnten.

Der Buchstabe Q kommt vom QOF, dem neunzehnten Buchstaben des phönizischen Konsonanten-Alphabets. Dieser Buchstabe wurde für den „stimmlosen uvularen Plosiv“ geschrieben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Stimmloser_uvularer_Plosiv

Die Phönizier entwickelten aus der protosinaitischen Schrift das erste für ihre Sprache perfekt funktionierende Alphabet, auf die Konsonanten bezogen eine Lautschrift, die in beiden Richtungen eindeutig war:

Ein Zeichen stand für einen Laut, dieser Laut würde nur durch dieses Zeichen wiedergegeben.

Die Form, die Namen und die Reihenfolge der Buchstaben wurde von den Phöniziern entwickelt. Die Buchstabenbilder symbolisierten ein Bild, dessen Anfangslaut „gemeint“ war. So war das QOF das Bild eines Affen („Qof“) um den Laut „q“ darzustellen, so wie wenn wir das Bild eines Affen nehmen würden, um ein „a“ darzustellen und diesen Buchstaben „Affe“ zu nennen.

Die schönen Buchstaben-Namen wurden bei der Übernahme des Alphabets von den Griechen übernommen (obwohl bei den s-Buchstaben möglicherweise die Namen vertauscht wurden), obwohl sie natürlich in der indogermanischen Sprache Griechisch nicht den Sinn der Bilder der semitischen Sprache Phönizisch mehr hatten. Einige Buchstaben-Name (epsilon, ypsilon, omikron, omega) sind griechischen Ursprungs (bloßes e, bloßes y, kleines o, großes o). Leider gingen fast alle Buchstabennamen bei den „praktischen“ Römern verloren (außer jot, ypsilon. zet).

Als die Griechen im zweiten Anlauf eine Schrift „übernahmen“, um die Laute ihrer Sprache darzustellen — die erste Möglichkeit, nämlich die Linear B Schrift war wieder aufgegeben worden und schriftlose Jahrhunderte folgten — nannten sie diese Schrift „die phönizischen Zeichen“.

Die erste Möglichkeit, die Sprache der Griechen durch Zeichen darzustellen, war das Linear B. Es ist erstaunlich, dass diese Silbenschrift mit offenen Silben (ein Konsonant plus ein Vokal bzw. nur ein Vokal) [ähnlich wie die japanische Katakana-Silbenschrift] für die griechische Sprache mit ihren (möglichen) „Konsonantenclustern“ am Anfang und am Ende einer Silbe funktionierte, vor allen da auch nicht zwischen pa/ba/pha; pe/be/phe; pi/bi/phi; po/bo/pho bzw. pu/bu/phu (= fünf verschiedene Silbenzeichen) differenziert würde. Gleiches galt für ka/ga/kha; ke/ge/khe; ki/gi/khi; ko/go/kho und ku/gu/khu. Auch ra/la; re/le; ri/li; ro/lo und ru/lu wurde jeweils mit dem gleichen Zeichen dargestellt. Für ta und da, te und de, ti und di; to und do bzw. tu und du gab es allerdings eine Differenzierung.

Nachdem die Griechen nach den „dunklen Jahrhunderten“ ein zweites Mal eine Schrift für ihre Sprache übernahmen, hatten sie mit den „phönizischen Zeichen“ eine geeignetere Möglichkeit gefunden, ihre Sprache zu verschriftlichen, vor allem, da sie aus einigen Konsonanten-Zeichen Vokal-Zeichen machten und damit das erste vollständige Buchstaben-Alphabet besaßen. (Stimmansatzlaut )aleph —> Vokal a (alpha ), Konsonant he —> Vokal kurzes e (epsilon), [Konsonant chet —> Konsonant h (heta) —> Vokal langes e(ä) (eta) Konsonant jod —> Vokal i (iota), Konsonant (ajin —> Vokal o (omikron) (völlig erstaunlich, da überhaupt nicht naheliegend, vielleicht durch die kreisrunde Form des Buchstaben bedingt, die mit der Mundstellung beim O korrespondiert), Konsonant wau/waw [Nummer 6 des phönizischen Alphabets] —> Vokal u, später Vokal ü (ypsilon), der an das letzte Zeichen des phönizischen Alphabetes „tau“ noch hinten drangehängt wurde.

Zurück zum QOF:

Da die Griechen einen stimmlosen uvularen Plosiv nicht in ihrem Lautbestand besaßen, benutzten sie den Konsonanten KAF (zwischen J und L), um den K-Laut vor A, E, I und vor Konsonanten darzustellen, und den „freigewordenen“ Konsonanten QOF, um den K-Laut vor O und U aufzuschreiben.

Ka, Ke, Ki, K+Konsonant (z.B. Kr), aber Qo und Qu.

Wenn man genau darauf achtet, was mit dem Ort, an dem man den K-Laut ausspricht, passiert (Ki, Ke, Ka, Ko, Ku), merkt man, dass er sich immer mehr nach hinten bewegt.

Da die Griechen, die in den verschiedenen Gegenden unterschiedliche Varianten der „phönizischen Zeichen“ verwendeten, merkten, dass es nicht notwendig war, zwei verschiedene Zeichen für den K-Laut zu verwenden, gaben sie das von Ihnen so genannte Qoppa auf und so fehlt es im standardisierten griechischen Alphabet.

So wie auch der sechste Buchstabe, das „wau/waw“ (das später wegen seiner Form „Digamma“ genannt wurde) und das „tzade“ (ein s-Laut, der in der Reihenfolge zwischen p und q, bzw. zwischen p und r vorkam) aus dem aktiven Buchstaben-Bestand verschwand und jeweils nur noch als Zahlzeichen erhalten blieb. Dafür wurde das griechische Standardalphabet um phi [ursprünglich behauchtes p, später f] chi [ursprünglich behauchtes k, später ch-Laut (a)ch bzw. [e]ch, wobei im Griechischen nicht der vorangehende, sondern der nachfolgende Vokal die Ausspruch-Variante des „ch“ bestimmt [analog dazu wurde aus dem phönizischen Buchstaben Nummer 8, dem „tet“, das ein „emphatisch ausgesprochenes“ t wiedergab, zuerst das behauchte t, danach der Lispellaut „th“ in weicher oder harter Aussprache], psi [= p + s] und omega (langes o) ergänzt. Das verwässerte natürlich die 1 : 1 - Lautschrift, weil das ein Laut — ein Zeichen und ein Zeichen — ein Laut -Konzept nicht mehr uneingeschränkt galt. Auch das phönizische Zeichen Nummer 15 wurde im Griechischen zu einem Doppel-Konsonant xi [k + s], und das Zeichen Nummer 7 (sai, zajin [weiches s]) wurde im Griechischen zu einem Doppelkonsonanten ds (d + s, bzw. d + j]. Was außerdem nicht in das 1 : 1- Prinzip passte, war, dass der Laut „u“, nachdem das ursprüngliche u zum y verändert war, durch einen Digraphen oy dargestellt werden musste. Dagegen war zum Beispiel ay = au und ey = eu.

Auch die senkrechte Splittung des Großbuchstaben H (HETA) und die Verwendung der linken Hälfte als Spiritus asper für anlautendes H bzw. der rechten Hälfte als Spiritus lenis (Stimmansatzlaut? oder bloß fehlendes H am Wortanfang?) ist ein Problem bei der 1 : 1 - Lautschrift.

https://de.wikipedia.org/wiki/Spiritus_lenis

https://de.wikipedia.org/wiki/Heta

Aber warum gibt es das Q überhaupt in dem deutschen Alphabet, wenn das Zeichen schon im Griechischen verschwand?

Bevor er aus dem Griechischen verschwand, hatten die Etrusker schon das griechische Alphabet für sich entdeckt und sie benutzten das Q für den Laut vor dem „U“. (Ein „O“ kam in der etruskischen Sprache nicht vor.) So schrieben die Römer, die wiederum von den Etruskern das Alphabet übernommen hatten, ursprünglich z.B. PEQVNIA (pecunia) für Geld, später wurde PECVNIA geschrieben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Etruskische_Schrift#Weiterentwicklung_der_Schrift

Da beim Buchstaben V nicht zwischen dem Vokal U und dem Konsonanten W unterschieden wurde, wurde das Q von den Römern benutzt, wenn K + W dargestellt werden sollte (EQVVUS = ekwus (das Pferd)), das C (das C hatte bei den Römern das K fast vollständig ersetzt), wenn K + U dargestellt werden sollte (CVM = kum (zusammen mit)).

So ist das Q in der Schrift erhalten geblieben und die Schreibweise QU für KW ist auch in die deutsche Schrift übernommen worden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Q

Vielleicht sollte man an dieser Stelle noch erwähnen, dass in den indogermanischen Sprachen das KW nicht einfach nur K+W ist, sondern dass es eine „eigene“ Reihe von „K+W“-Lauten (und so weiter) gibt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Labiovelar

Da die Etrusker keine stimmhaften Konsonanten kannten, benutzten sie das C (das eigentlich das weiche Gamma war) für den harten K-Laut. Bei den Römern, die ein weiches G kannten, wurde das C zuerst für beides verwendet. Da dies zu Problemen führte, wurde in einer frühen Rechtschreibreform durch einen diakritischen Querstrich das harte C ( = K) von weichen G geschieden und dieses neue Zeichen G an Platz 7 gesetzt, wobei das Z ausgemerzt wurde, da es aktuell nicht gebraucht wurde. Es tauchte dann später, als viele griechische Fremdwörter in die Lateinische Sprache übernommen wurden, zusammen mit dem Y als letztes im Lateinischen Alphabet wieder nach dem X auf, das ursprünglich das Lateinische Alphabet beendete, Die Lateiner verwendeten lieber das „moderne“ C als das K für den K-Laut und so verschwand das K fast vollständig aus der lateinischen Schrift. (Im Italienischen ist es vollständig verschwunden.)

Noch mehr Verwirrung im 1 : 1- Konzept entstand, als sich die Aussprache von CI, CE, CY von k + Vokal zu ts + Vokal änderte (oben steht schon, dass die Zungenstellung des K je nach folgendem Vokal unterschiedlich ist, und wenn man die Zunge noch ein wenig weiter vorschiebt, entsteht aus dem k das ts), ohne dass das im Schriftbild mitgemacht wurde. So wurde aus dem einheitlichen Buchstaben C (=k) je nach folgendem Vokal zwei verschiedene Laute Ca = Ka, Ce = Tse, Ci = Tsi, Co = Ko, Cu = Ku, Cy = Tsy), was dann auch von Ga, Ge, Gi, Go, Gu, Gy nachgemacht wurde.

Das Lateinische Alphabet endete ursprünglich beim X (T-V-X). Ob das X das Xi war und seinen Platz zwischen N und O räumen musste, oder ob das X dem CHI entsprach und das Schriftbild beibehielt und den Lautwert änderte, wird unterschiedlich gesehen. Das V war u und w gleichzeitig, wurde also übernommen, bevor es im Griechischen zu y mutierte. Als es erneut übernommen wurde, behielt es seinen „Unterstrich“ unterhalb des V. Aus dem 6. phönizischen Buchstaben (wau/waw) sind also fünf verschiedene Buchstaben (F, U, V, W, Y) entstanden. Als die Griechen das (ursprüngliche u) ans Ende des Alphabets stellten, gaben sie ihm die Form des Y. Das Wau/waw muss man sich wie ein F vorstellen oder wie ein Y, das am linken Schrägbalken oben noch einen nach rechts zeigenden Querstrich hat. Das aus dem Digraphen VV, bzw. aus der Ligatur VV ein eigener Buchstabe W werden konnte (englisch: Dabbelju), ist eine Besonderheit, die durch das Aussehen des Buchstaben bedingt ist. In anderen Fällen wurde aus einem Doppelbuchstaben kein einheitliches Erscheinungsbild. Zur „harten“ Aussprache des F findet man in alten römischen Texten manchmal noch die Schreibweise HF oder FH.

So war das schöne 1 : 1- Konzept der Phönizier dahin. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass manche Laute (wie das sch) in der griechischen Sprache nicht vorkamen und in den Sprachen, die diesen Laut haben, durch diakritische Zeichen oder Bigraphen bzw. Trigraphen dargestellt werden müssen.

Bei voraussetzungslos konzipierten Schriften, die nicht so eine Geschichte hinter sich haben (Phönizisch —> Griechisch —> Etruskisch —> Lateinisch —> Westeuropäische Schriftsprachen), kann man solche „Probleme“ von vornherein vermeiden.

 

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