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«Analyst», «hawaiisch», «Sinusitis»

Autor:Ivan Panchenko –
Datum: Sa, 25.10.2025, 00:33

Das französische Wort «analyste» ist anscheinend durch Haplologie entstanden (statt «analysiste» (oder «analytiste»), wie wegen «analyse» und «-iste» erwartet werden könnte). Nach deutscher (und nicht-anglizistischer) Aussprache von «Analyst» ergibt sich für «y» jedoch ein ü-Laut statt eines i-Lautes, was die Haplologie unpassend macht.

Dagegen ist die entrundete Aussprache von «y» ganz am Ende eines Stammes in Wörtern wie «Libyen» völlig normal, und so dürfte sich «libysch» erklären. Wenn da auf eine Aussprache mit ü-Laut bestanden wird, hört es sich nicht mehr wie ein «-isch»-Wort an. Eine Anomalie ist es so oder so, denn als Suffix ist «-isch» zu erwarten (wie in «litauisch» statt «litausch»), und zwar ohne Ausfall, weil das «y» keine Beugungsendung ist. Das lateinische «libycus» ist einwandfrei, es gibt ja das Suffix «-c(us/a/um)». Manchmal kommt «libyisch» vor, da würde ich die erste Silbe betonen, weil lateinisches «libyicus» (wo die Betonung auf die vorvorletzte Silbe fallen würde) nicht geläufig ist.

In hawaiischer Grammatik werden Nomen wie «Hawaiʻi» überhaupt nicht gebeugt, was aber gerade den Freiraum lässt, das «-i» wie eine Beugungsendung zu behandeln, wo es (entlehnt) eine Rolle spielt, so heißt es im Nominativ (russisch) «Гавайи» und im Genitiv «Гавайев». Neben «hawaiianisch» kommt denn auch «hawaianisch» vor, aber die Form mit «ii» ist üblicher und «hawaiisch» ergibt sich durch Tilgung eines Buchstabens wie bei «Mondseer».

Die Wörter «Sinusitis» und «Sinusoid» haben sich mit «-us» etabliert, das englische Adjektiv «sinal» ohne. Der oblique Stamm des lateinischen Nomens «sinus» ist eigentlich «sinu-», also wären «Sinuitis» (kommt manchmal vor), «Sinuoid» und «sinual» zu erwarten.

Der oblique Stamm von «species» ist «specie-», statt «Speziesismus» wäre also «Spezieismus» oder (weiter vereinfacht, aber weniger klar) «Spezismus» (französisch «spécisme»; «Spezies» heißt dagegen «espèce») zu erwarten. («Vikariismus» kommt sogar mit zwei «i» in Folge vor, andererseits: italienisch «vicarismo».) Kaum jemand würde auf die Idee kommen, deutsche Wörter wie «Zwergismus» zu bilden, jedoch sind englische Wortbildungen wie «dwarfism» möglich, hierzu passt auch das 1970 von Richard Ryder eingeführte «speciesism», wo der Teil vor «-ism» nach einem lateinischen Stamm anmutet und so zu «Speziesismus» als Übersetzung verführen kann. Es gibt aber eine Belegstelle für «Specieism» von 1957 (das Suchergebnis wird nicht mehr angezeigt; die angegebene Jahreszahl scheint zu stimmen), also noch vor Ryders Wortschöpfung:

You have given us all a powerful allegory of the term “Specieism.” which was new to me when I heard it a month or so ago. Unless “Specieism” can be conquered, the lumberwolves are doomed to the fate of the whooping crane, the great auk and the dodo.

Ryder in einem Interview:

To tell the truth I haven't heard of "carnism". I already feel rather ashamed of introducing two new "isms" - speciesism (1970) and painism (1990) - and wish I wasn't such an ismist!

 

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