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Rechtschreibforum

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Re: Gibt es das Wort?

Autor:Pumene
Datum: Do, 10.06.2021, 22:28
Antwort auf: Re: Gibt es das Wort? (Kim)

Ich glaube, dass das Partizip II „abgestriffen“ deshalb nicht so ungewöhnlich klingt, weil — nicht nur weil die gsv, die Gesellschaft zur Stärkung der Verben, es sich so überlegt hat, sondern weil — das Verb „abstreifen“ vielleicht „in echt“ einmal ein starkes Verb gewesen ist, wie man aus den unten zitierten 14 Zeilen aus dem Buch „Studien zum Althochdeutschen Akademie der Wissenschaften in Göttingen , Jörg Riecke, Die schwachen jan-Verben des Althochdeutschen, Ein Gliederungsversuch, Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen, Gefördert von Mitteln des BMBF und des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Bund-Länder-Finanzierung „Akademienprogramm“, Vadenhoeck & Ruprecht Göttingen 1996, ISBN 3-525-20347-0“ vermuten kann.

https://books.google.de/books?id=l8qeO7TofI4C&pg=PA558&lpg=PA558&dq=streifen+früher+starkes+verb&source=bl&ots=y9WsThy4_i&sig=ACfU3U0Y3G1zie6uslj7RRkvg3OvCY3tDw&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwibk4b8743xAhXS_KQKHbE2BssQ6AEwEHoECBQQAw#v=onepage&q=streifen%20früher%20starkes%20verb&f=false

Seite 558

Zeilen 3 bis 16

aba-streifen ´abstreifen ´, (ein Beleg PH., StSpD. 131,126 strêifet diê húd ábo); SchW. 272, RMWA. 66, RVA. 208,
(Nur ahd.)2892; man vergleiche mhd. streifen gleiten, ziehen, abhäuten ´2893. Daneben stehen im Ablaut mhd. streifeht ´stripicatus ´, strîfe und striffel ´Streifen ´.
M. Lexer2894 erschließt daher ein starkes Verb mhd. *strîfen..* **Zu dieser Wortfamilie gehört dann auch noch mnd. strîpe2895. Da im (spät-)althochdeutschem Physiologus ahd. î nicht diphthongiert erscheint, muß der Stammvokal auf Germ. ai zurückführen. Ein starkes Verb wäre daher, wenn es erhalten geblieben wäre, als germ. *streipa- anzusetzen*. Da die westgermanische Konsonantengemination in der Regel nur nach Kurzvokal eintrat2896, spricht die Lautgestalt des Physiologus-Beleges nicht gegen die Annahme einer jan-Ableitung. Da aber möglicherweise Vermischung mit der Wortfamilie um mhd. striefen, ahd. stroufen stattgefunden hat, sind die Zusammenhänge nicht ganz sicher2897. Jedenfalls liegt eine Labialerweiterung zur Wurzel idg. *ster- vor2898.

(Ende Zitat)

Die starken Partizipien II der Verben „abstreichen“, „abschleifen“, „greifen“, „kneifen“, usw. mögen dazu beigetragen haben, dass manchen Muttersprachlern die Form „abgestriffen“ leichter über die Lippen gehen kann, ohne einem unangenehm aufzustoßen.

Gruß

Pumene

* Rötung und Fettung von mir

https://deutschegrammatik20.de/verbformen/das-partizip-ii/partizip-ii/verben-mit-zwei-partizip-ii-formen/

Umgangssprachliche Partizipien

Bei einigen Verben werden in der Umgangssprache unregelmäßige Partizipien gebildet. Standardsprachlich ist das regelmäßige Partizip.

Beispiele: umgangssprachlich unregelmäßiges Partizip II
Infinitiv – umgangssprachlich – standardsprachlich
streifen – gestriffen – gestreift
winken – gewunken – gewinkt
niesen – genossen – geniest
schalten – geschalten – geschaltet
falten – gefalten – gefaltet
heißen – gehießen – geheißen
schimpfen – geschumpfen – geschimpft

https://groups.google.com/g/de.etc.sprache.deutsch/c/XTQZzN8aLkg

In Kasseler Mundart unauffällig.
"Hä hot mich gestriffen."

https://grammatikfragen.de/showthread.php?396-Wie-hei%DFt-das-korrekte-Partizip-II-von-quot-streifen-quot-(einen-Bus-ein-Thema)

Ergebnis 1 bis 2 von 2
Thema: Wie heißt das korrekte Partizip II von "streifen" (einen Bus , ein Thema)
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12.03.2013 12:41 #1 Unregistriert
Gast
Standard Wie heißt das korrekte Partizip II von "streifen" (einen Bus , ein Thema)
Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
Diskussion unter Freunden

Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
Duden
21.03.2013 09:30 #2 Katharina Stuckert Katharina Stuckert ist offline
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Standard
Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

Sprachsystem[Text ausblenden]

Das Partizip II zeigt im Deutschen je nach Flexionsverhalten des Verbs unterschiedliche Bildungsarten.
Die schwachen Verben (= Verben ohne Veränderung des Stammvokals) benötigen zu Bildung des Partizip II das Präfix (=Worterweiterung am Anfang) ge- und die Endung –(e)t.

Beispiel
(1) kaufe, kaufte, ge-kauf-t
(2) rede, redete, ge-red-et

Bei den starken Verben (= Verben mit Vokalwechsel in der Stammsilbe) hat das Partizip II neben dem Präfix ge- die Endung –en.

Beispiel
(3) singe, sang, ge-sung-en
(4) bleibe, blieb, ge-blieb-en

Demnach wären theoretisch für das Verb streifen zwei Partizip II Formen bildbar: gestreift (nach dem schwachen Flexionsverhalten) und gestriffen (nach dem starken Flexionsverhalten). Somit stellt sich nun noch die Frage, welchem Flexionsverhalten das Verb streifen folgt. Darüber kann ein Blick ins Deutsche Universalwörterbuch (Duden) Aufschluss geben.

strei|fen [mhd. streifen]:
1. [mit gleitender Bewegung] leicht, nicht sehr heftig berühren:
jmdn. am Arm s.;
2. nur oberflächlich, nebenbei behandeln; kurz erwähnen:
das Thema nur kurz s.

Ganz zu Beginn des Eintrags () finden wir den Hinweis auf das schwache Flexionsverhalten des Verbs. Demzufolge müsse das Partizip II wie folgt lauten:

Beispiel
(5) ge-streif-t

Sprachgebrauch[Text ausblenden]

Auch wenn das Deutsche Universalwörterbuch des Dudenverlags hier eine eindeutige Tendenz des Verbs streifen zum schwachen Flexionsverhalten angibt, ist Ihr Zweifel dennoch nicht unberechtigt. Denn eine Sprachgebrauchsanalyse im Zeitungskorpus des Instituts für deutsche Sprache Cosmas II und in der Suchmaschine Google belegt durchaus die starke Form gestriffen.

Cosmas II
gestreift 8.983
gestriffen 26
Google
gestreift 8.660.000
gestriffen 31.500
Bei der Google-Recherche muss jedoch erwähnt werden, dass hier ebenfalls metasprachliche Treffer und Treffer für Übersetzungsvorschläge in andere Sprachen mit eingeschlossen sind. Diese können das Bild ein wenig verzerren. Bei Cosmas II hingegen handelt es sich wirklich lediglich um die Verwendung in der geschriebenen Sprache.

Nichtsdestotrotz belegen diese Zahlen, dass neben der schwachen regelmäßigen Form gestreift eine starke unregelmäßige Form gestriffen entstanden ist, die, wenn auch im geringen Maße, durchaus Verwendung in der Sprachgesellschaft findet.

Die Ursache für die Entstehung der starken Form, kann nur vermutet werden. Eine mögliche Erklärung wäre vielleicht die Abgrenzung des Partizips II von streifen zu dem Adjektiv gestreift mit der Bedeutung „Streifen aufweisend“.*

Fazit: Aufgrund des Sprachgebrauchs scheint wohl die schwache regelmäßige Form gestreift der standardsprachlichen Norm zu entsprechen. Die starke Form gestriffen existiert zwar schon nebenher, hat sich jedoch scheinbar noch nicht zum gleichberechtigten Nebeneinander durchgesetzt. Jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass aus der neuen Form, die dem Sprachbenutzer zunächst als „falsch“ erscheint, möglicherweise irgendwann eine neue Norm erwächst, wenn mit der Zeit ein Gewöhnungseffekt in der Sprachgesellschaft eintritt. Wenn Sie aber auf der sicheren Seite sein wollen, raten wir Ihnen zu diesem Zeitpunkt zu der schwachen Form gestreift.*

Noch ein Beitrag (ohne Gewähr):

https://forum.readmore.de/forum/offtopic/offtopic-aa/74316-grammatikfrage

16.07.2011, 15:39
habe für dich nochmal im mhd. wörterbuch nachgeschaut - keine ahnung, ob dich das überhaupt interessiert, da es im heutigen sprachgebrauch eh "gestreift" heißt, aber es gab tatsächlich mal folgende partizipialform:

"streifen; swv. [schwaches verb] intr. [intransitiv] streifen, gleiten; streifen, ziehen , marschieren; mit dem streichgarn fischen - tr. [transitiv] abhäuten"

unter "striefen" findet man doch tatsächlich folgenden eintrag (das ist ja der interessante):

"striefen stv. [starkes verb] II, 1 streifen."

streifen hatte also im mhd. sowohl eine schwache verbform als eine starke verbform, vermutlich hat schon da die von mir angesprochene assimilation zur schwachen verbkonjugation eingesetzt. sehr wohl gab es aber mal die präterialform "striefen" und somit auch eine ähnliche partizipialform, welche dem heutigen "gestriffen" ähneln würde.*

just for your info.

** https://woerterbuchnetz.de/?sigle=Lexer&lemid=LS08162#2

2NLexer striefen stv. III. (BMZ II2. 697b) streifen. die este er pald abe strouf (:ouf, die hss. abstrauft, -straif) Christ. s. 896. vgl. Gr. 2,49.*

strîfen stv.* II. zu folgern aus strîfen, streif, strif, striffel;

 

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