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Rechtschreibforum

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Re: Pedanten des Neuen

Autor:Klaus
Datum: Mi, 11.02.2009, 19:02
Antwort auf: Pedanten des Neuen (Olsen)

> Das folgende ist vielen Reformdebattierern vermutlich längst
> bekannt, doch ich hatte es bis eben nicht gelesen:

> "Man will eine neue Rechtschreibung in den Schulen
> einführen. Ich bitte die Behörden, es zu unterlassen.

> Man muß Neuerungen überhaupt nur einführen, wenn sie notwendig
> oder von wesentlichem Nutzen sind, sonst hat das Bestehende die
> Vorrechte des Natürlichen.

Sprache ist Kultur, nicht Natur. Eine natürliche Sprache gibt es nicht, und eine natürliche Rechtschreibung erst recht nicht.

> Der Prüfstein alles Neuen ist die Zeit. Erst wenn ein
> Menschenalter vorübergegangen ist und trotz alles Wechsels der
> Ansichten das Neue sich erhalten hat, weiß man, daß man eine
> Verbesserung gemacht und nicht einer Mode gehuldigt hat.

1836 tickten die Uhren eben anders. Die ersten Computermodelle haben kein Menschenalter überstanden, will man sie deswegen einen Fehlschlag nennen?

> Nirgends ist die Vorsicht gegen Neuerungen so notwendig als in
> Deutschland, wo man alle zehn Jahre litterarische Absurditäten
> in Gang setzt, über die man zehn Jahre später wieder lacht.

> Die Sprachen werden durch den Gebrauch und die großen
> Schriftsteller gemacht. Wie unsere Altvordern gesprochen und
> geschrieben haben, ist uns höchst gleichgültig, denn sie waren
> albern, und wir wollen uns bemühen, gescheit zu sein.

Hört, hört.

> An dem Materiellen einer Sprache ist nichts stoßweise zu ändern,
> wenn sie einmal eine klassische Litteratur hat. Leider veralten
> auch die großen Schriftsteller, es wäre aber Frevel,
> beizutragen, daß sie vor der Zeit veralten.

Es sei nichts stoßweise zu ändern, tja ... Von selbst ändert sich hier aber nichts. Wenn wir Sprache regulieren wollen, wenn wir eindeutige Regeln aufstellen wollen, an die sich jeder zu halten hat, dann können Änderungen nur institutionell verordnet werden. Klar, so Kleinigkeiten ändern sich ständig, und ohne dass sich eine Institution bewegen müsste, Kommas ist heute ein zulässiger Plural, Fotos mit F - für sowas braucht es keine Rechtschreibreform. Aber Kommaregeln, die Sache mit dem ß/ss, das ändert sich nicht von selbst.

> Was für jedermann gilt, gilt vor allen für die Schule. Sie hat
> nichts vorzutragen, als was sich durch längere Geltung als gut
> und richtig bewährt hat.

Was für eine traurige Vorstellung von Schule! Die Wissenshcaften sind ständig in Bewegung, und die Schule, wo die Menschen das erste Mal so etwas ähnliches wie Wissenschaft erfahren, soll so tun, als gebe es seit jeher feststehende Regeln?

> …

> Man beherzige dies und überlasse die urhochdeutschen
> Bestrebungen den Phantasten und Pedanten. Es gibt in Deutschland
> nämlich auch Pedanten des Neuen und, was fast überall unerhört
> ist: phantastische Pedanten."

Zu glauben, dass eine alte Sprache überlebt, ohne sich zu verändern, ist die Ansicht von Phantasten.

> (Grillparzer, 1836)

> Grüße, Olsen
Noch viel mehr Grüße
Klaus

 

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Beiträge zu diesem Thema

Pedanten des Neuen
Olsen -- Di, 10.2.2009, 11:28
Re: Pedanten des Neuen
Klaus -- Mi, 11.2.2009, 19:02
Re: Pedanten des Neuen
Olsen -- Do, 12.2.2009, 08:52