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Innenitis

Autor:Norbert Derksen
Datum: Do, 13.03.2014, 13:09
Antwort auf: Re: Keine deutschen Frauen? (rrbth)

Bei Begriffen wie „Mütter“, „Töchter“, „Schwester“, „Frauenzimmer“ usw. käme niemand auf die Idee, allein aus der Endung „er“ auf Männlichkeit zu schließen. Das aber ändert sich schlagartig, wenn opportunistische Politiker in plumper Anbiederung an den Zeitgeist plötzlich holprig und umständlich von den „Wählerinnen und Wählern“ faseln und dabei übersehen, daß die deverbative Ableitung auf „er“ lediglich grammatisch männlich ist, semantisch aber selbstverständlich beide natürlichen Geschlechter umfaßt, mögen ein paar unreife Emanzen, welche übrigens die idiotische und sprachverhunzende Rechtschreibversaubeutelung meist klaglos übernehmen, noch so zetern. An diesem sogenannten generischen Maskulinum für beide Geschlechter ändert sich auch nichts, wenn latinisierte Deverbative statt auf „er“ auf „or“ enden wie bei „Professor“. Bei Dienstbezeichnungen verbietet das Sprachlexikon „Wahrig“ unabhängig vom Geschlecht des Amtsträgers die geschlechtsspezifische Form mit dem Wortbildungsmorphem „in“ als Suffix sogar ausdrücklich. Völlig aberwitzig wird es, wenn aus dem Englischen übernommene und von Fremdwortbanausen fälschlich als Anglizismen — unter einem Anglizismus versteht man keine englische Vokabel, sondern eine englische Spracheigentümlichkeit, genauer eine für das britische Englisch charakteristische Erscheinung, welche auf eine nichtenglische Sprache übertragen wurde (z. B. jmdn. feuern = jmdn. hinauswerfen; engl. to fire) — titulierte Personenbezeichnungen wie „Designer“, „Manager“, „User“ usw., die von Haus aus gar keine geschlechtsspezifische Form kennen, mit dem Germanismus eines Suffixes „in“ verunstaltet werden. Die weitverbreitete Unkenntnis hinsichtlich der Repräsentanten aus beiden Lagern umfassenden und somit geschlechtsneutralen Form ohne Suffix basiert wohl auf einer Verwechslung von grammatischem Geschlecht (Genus) und natürlichem Geschlecht (Sexus). Daß beide nur bedingt etwas miteinander zu tun haben, erkennt man besonders deutlich am oben bereits genannten „Frauenzimmer“ sowie an sonstigen sprachlichen Neutra wie „Weib“, „Mädchen“, „Fräulein“, „Schneewittchen“, „Dornröschen“, „Aschenputtel“ usw.; und wie gröblich wird jedes feine Sprachempfinden verletzt, wenn Halbgebildete mit derselben Penetranz, mit der sie peinliche Anglizismen wie „einmal mehr“ (stümperhafte Nachäffung des englischen „once more“) nachplappern oder bei jedem Unglück gleich von „Tragik“ schwafeln, immer wieder mit „sie“ darauf Bezug nehmen statt richtig mit „es“. Den Gipfel der Geschmacklosigkeit aber bildet zweifellos die Verballhornung durch das im universitären Bereich ausgebrütete, gänzlich verquere Binnen-I, wenn sich bemerkenswerterweise bis jetzt auch noch niemand dazu verstiegen hat, es etwa bei „AuszubildendInnen“ oder „LehrlingInnen“ anzuwenden, um den Unfug auf die Spitze zu treiben. Oder hat denn wirklich jemand geglaubt, daß zu einem Zuschauerraum nur männliche Personen Zutritt hätten, solange er nicht als „ZuschauerInnenraum“ ausgeschildert ist? Wohin die mittlerweile zur Manie ausgeuferte krampfhafte Vordrängelei an falscher Stelle allerdings tatsächlich bereits geführt hat, zeigt sich keineswegs nur in dem jetzigen Gebaren der Universitäten Leipzig und Potsdam, mit welchem sich die dortigen Professorenschaften lächerlich machen, mußte ich doch erfahren, daß eine hier pietätvoll verschwiegene Zeitschrift, die unbedingt auf der Höhe der Zeit sein wollte, „Mitgliederinnen“ aus der Taufe hob und damit sogar ein unschuldiges sprachliches Neutrum fern jeden männlichen Makels vergewaltigte! Auch von „Kinderinnen“ hat man in jüngerer Zeit schon gehört. Und ist die Sprachidiotie der universitären Innenisierung am Ende auch auf die vermeintlich politisch korrekten „Führerinscheininhaberinnen“ oder gar die „Führerinscheininhaberinnenfortbildungsleiterinvertreterinnen“ männlichen Geschlechts auszudehnen? Wie ist dem nur noch auf ein allgegenwärtiges sprachliches "-in" fixierte und sogar jedes geschlechtsneutrale „man“ in ein völlig abartiges und sinnloses „frau“ verbiegende Feminismuswahn noch beizukommen? Antoine de Saint-Exupéry hat mal gesagt: »Um klar zu sehen, genügt ein Wechsel der Blickrichtung.«

Quellen:
¯¯¯¯¯¯¯
G. Wahrig, „Deutsches Wörterbuch“
J. Lohmann, „Genus und Sexus“
G. Wienold, „Genus und Semantik“

 

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Beiträge zu diesem Thema

Keine deutschen Frauen?
PaulW -- Fr, 2.2.2007, 17:18
Re: Keine deutschen Frauen?
rrbth -- Fr, 2.2.2007, 22:55
Re: Keine deutschen Frauen?
Julian von Heyl -- Sa, 3.2.2007, 11:39
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PaulW -- Sa, 3.2.2007, 18:05
Re: Nachfrage
Ruben -- Mo, 5.2.2007, 11:30
Was Alice Schwartzer auch ankotzt ...
PaulW -- Sa, 3.2.2007, 11:47
Re: Was Alice Schwartzer auch ankotzt ...
Ruben -- Mo, 5.2.2007, 11:32
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Norbert Derksen -- Do, 13.3.2014, 13:09
Re: Innenitis
UNSICHERHEITSRAT -- So, 23.3.2014, 02:42
Re: Keine deutschen Frauen?
Ruben -- Mo, 5.2.2007, 08:34