korrekturen.de | Korrektorat und Lektorat

> Guten Nachmittag miteinander

> Ich habe eine Frage, die Nebensätze mit "bevor"
> betrifft.

> Ich weiss, dass man mit „bevor“ nachzeitige Nebensätze
> einleitet.

> In der Vergangenheit ist mir da alles klar. Zum Beispiel in
> Sätzen wie „Bevor die Fische erstickten, war das Goldfischglas
> zerbrochen.“ Oder auch: „Bevor die Fische erstickten, zerbrach
> das Goldfischglas.“

> Nun frage ich mich, wie es in der Gegenwart aussieht. Ich habe
> gelesen, dass der Nebensatz mit „bevor“ sich dann in der Regel
> auf die Zukunft bezieht. Zum Beispiel so: „Bevor ich die Fische
> beerdige, hebe ich die Glasscherben auf.“
>
> Wie ist es dann aber mit solch einem Satz:
> „Bevor die Fische ersticken, zerbricht das Goldfischglas.“ Ist
> das mit diesen Zeitformen überhaupt verständlich?
> Wie steht es mit: „Bevor die Fische ersticken, ist das
> Goldfischglas zerbrochen“?
>

Es gibt noch einen weiteren Unterschied, was das Verb „zerbrechen“ und seine syntaktische Valenz betrifft:

Das Verb „zerbrechen“ gibt es in zwei Ausführungen: als transitives Verb und als intransitives.
Ein transitives Verb kann ein Objekt nach sich ziehen, ein intransitives nicht. „Der Junge zerbricht meine Fensterscheibe“ ist zum Beispiel (s. Wiktionary) transitiv, weil es hier außer dem Subjekt (Der Junge) noch ein Objekt (meine Fensterscheibe) gibt. „Die Vase zerbricht“ ist intransitiv. Die Vase zerbricht ganz von selbst und ganz für sich allein und braucht keinen Urheber der Aktion.

Im Präsens sind die Formen gleich, eine Verwechslung ist nicht möglich. Schwierig wird’s in der Vergangenheitsform:
Wenn man ein transitives „zerbrechen“ und wenn man ein intransitives „zerbrechen“ in die Vergangenheit (genauer: Perfekt) setzt, so beachte man bei der Bildung von Perfekt die unterschiedlichen Hilfsverben: haben versus sein:

transitiv: „Der Junge hat meine Fensterscheibe zerbrochen.“
intransitiv: „Die Vase ist zerbrochen.“

Zurück zu deinen 2 Beispielsätzen:
1) „Bevor die Fische ersticken, zerbricht das Goldfischglas.“
Hier ist „zerbrechen“ ein intransitives Verb und steht im Aktiv Indikativ Präsens.

2) „Bevor die Fische ersticken, ist das Goldfischglas zerbrochen.“

Den Hauptsatz „Das Goldfischglas ist zerbrochen“ kann man, was Tempus und Modus betrifft, auf zweierlei Art und Weise deuten:

Der Hauptsatz könnte als Zustandspassiv Präsens, aber auch als Aktiv Indikativ Perfekt (so wie Ricarda in ihrem Post zu Recht darauf hingewiesen hat; danke an dieser Stelle) aufgefasst werden:

Denn je nachdem, wie man „zerbrechen“ definiert (Stichwort: transitives versus intransitives Verb), so kann der Hauptsatz „Das Goldfischglas ist zerbrochen“ im Präsens bzw. Perfekt stehen. Von transitiven Verben lässt sich fast immer auch ein Passiv bilden, unter anderem ein Zustandspassiv (Präsens); bei intransitiven Verben ist das nicht möglich¹.

Ist der Verbalkomplex ist … zerbrochen im Zustandspassiv Präsens, so kann man daraus schließen, dass das Verb „zerbrechen“ hier ein transitives Verb ist.

Ist der Verbalkomplex ist … zerbrochen im Aktiv Indikativ Präsens, so haben wir es mit dem intransitiven „zerbrechen“ zu tun.

¹ Siehe auch die ausführlichere Erklärung unter:
https://deutschegrammatik20.de/passiv/zustandspassiv-vergleich-mit-anderen-grammatikformen