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Re: Konjunktiv

Autor:Michael
Datum: Do, 13.11.2008, 22:59
Antwort auf: Konjunktiv (Rodriguez)

> "wer möchte behaupten, der Indiander ärgere sich über den
> Regen"

> oder

> "wer möchte behaupten, der Indiander ärgerte sich über
> den Regen" ?

Feierabend, getz nochmal in Ruhe. Die Konjunktive sind nicht für jeden Fall in Stein gemeißelt; es kommt darauf an, was du sagen willst. Durch das "Wer möchte behaupten" (= nichts anderes als "wer wollte behaupten" oder "wer würde denn bloß behaupten") ist der Fall aber recht klar.

Der Nachrichtensprecher sagt/In der Zeitung steht:
– „Berlusconi behauptet, die westliche Zivilisation sei der islamischen Welt überlegen.“ Konjunktiv I, soll heißen: Der hat das gesagt, nicht unsere Meinung, keine Gewähr für Richtigkeit.

Mein Kumpel Karl hingegen sagt:
– „Berlusconi behauptet, die westliche Zivilisation wäre der islamischen Welt überlegen.“ Konjunktiv II, das bedeutet: Dem ist nicht so! Ich zweifle das (mindestens) an!

Es gibt Ausnahmen: Manchmal muss man statt des K I den K II wählen, obwohl man gar nicht den Eindruck erwecken möchte, man zweifle das Gesagte an - weil der K I deckungsgleich (und somit nicht erkennbar) wäre mit dem Indikativ:
– Berlusconi behauptet, "rote Richter" und die politische Linke verfolgten (statt: verfolgen) ihn politisch. (Das könnte man zwar anzweifeln, aber es stammt aus dem Handelsblatt; die hätten sich, wie es sich für Journalisten geziemt, des K I bedient – wenn er erkennbar wäre.)

Auch möglich: Man möchte den K II bringen, aber der ist wiederum nicht erkennbar, weil deckungsgleich mit dem Indikativ Präteritum. Hierzu ein kurzer Abschnitt aus Dudenband Nr. 9:

Darüber hinaus wird der Konjunktiv II häufig dann durch würde + Infinitiv ersetzt, wenn er mit der Form des Indikativs Präteritum übereinstimmt. So sind alle Formen des Konjunktivs Präteritum der schwachen Verben (ich liebte, er liebte usw.) sowie die mit wir und sie verbundenen Formen des Konjunktivs Präteritum der starken Verben mit i oder ie (wir riefen, sie gingen) identisch mit den Formen des Präteritums. Deshalb ist in folgenden Sätzen die würde-Konstruktion sinnvoll, um die Potenzialität bzw. Irrealität der Aussage deutlich zu machen:

Sonst wohnten wir dort nicht / (deutlicher:) würden wir dort nicht wohnen.

Sonst hielten wir uns dort nicht auf / (deutlicher:) würden wir uns dort nicht aufhalten. Wenn sie mich riefen / (deutlicher:) rufen würden, eilte ich sofort herbei.

In deinem Falle ist eine Verwechslung (auch dank der Tatsache, dass "möchte" keine Vergangenheitsform[en] hat) mit dem Präteritum ausgeschlossen:
„Wer möchte behaupten, der Indianer ärgerte (Wann? Gestern? Letztes Jahr? Dann stünde hier: hätte sich … geärgert) sich über den Regen?
Also kommt an dieser Stelle keine würde-Konstruktion infrage, sondern schlicht der K II. Und den kann man hier getrost als Irrealis bezeichnen. Scheinbar könnte man dagegen mit dem Duden argumentieren:
Beim Irrealis stehen sowohl der Nebensatz als auch der Hauptsatz im Konjunktiv Plusquamperfekt: Hättest du etwas gesagt, wäre sie geblieben.

Aber erstens ist „möchte“ sprachhistorisch immerhin ein Konjunktiv und zweitens sehen das nicht alle so eng, wie man unten im folgenden Text sieht:

Im Unterschied zum Indikativ be-
steht im Konjunktiv keine tempo-
rale Differenzierung zwischen K.
Praesens und K. Praeteritum,
weshalb sich auch die neutrale
Bezeichnung Konjunktiv I vs.
Konjunktiv II mehr und mehr
durchsetzt. Der Konjunktiv I
dient zur Kennzeichnung indirek-
ter Rede (Der Betroffene schwor,
er habe von dem Vorfall nichts
geahnt), er steht in abhängigen
Fragesätzen (Er wurde gefragt,
wo er sich damals aufgehalten ha-
be) und in Wunschsätzen (Es lebe
die Republik!). Der Konjunktiv
II in der Funktion des Irrealis da-
gegen bezeichnet Nichtwirklich-
keit (= Irrealität) im weitesten
Sinne und steht vor allem in kon-
ditionalen (->kontrafaktischen)
Satzgefügen (Wenn ich mehr Ge-
duld hätte, könnte ich ihr besser
helfen), in irrealen Konsekutiv-
sätzen (Der Preis ist zu hoch, als
daß man ihn bezahlen könnte), in
Vergleichssätzen (Sie tut so, als
ob sie ihn verlassen hätte).

Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner 1983.

Hoffe, das hilft.

Gruß

MG

 

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Rodriguez -- Do, 13.11.2008, 09:39
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