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Re: die Tiefe oder der Tiefe

Autor:steinalt
Datum: Mo, 16.05.2016, 14:59
Antwort auf: die Tiefe oder der Tiefe (Willi)

> wegen der Neuauflage eines Buches … um Rechtschreibfehler zu korrigieren

Sehr gut! Eine geniale Strategie, pro Leser gleich mehrere Auflagen abzusetzen! Das hat sich durchaus bewährt. Ein – ziemlich schlecht geschriebenes – Buch wird bereits in seiner 26. Auflage gehandelt, niemals ohne dem treuen Leser dringend anzuraten, stets die aktuelle Auflage zur Hand zu haben.

> "Ihr Herz schlug ein letztes Mal und sie versank in die Tiefe des Sees."
:)

> Jetzt die Frage: Muss es "die Tiefe" oder "der Tiefe" heißen?

Die Frage ist ja eigentlich schon durch das Fragezeichen markiert. Aber selbstverständlich muß es weder so noch anders heißen. Wie der Autor es schreibt, so heißt es.

> Es soll nur das Versinken bezeichnet werden,
> denn in einer späteren Szene wird sie "gerettet".

Ebenfalls sehr gut! Ja, wenn sie in einer späteren Szene "gerettet" wird, darf hier natürlich nur das Versinken bezeichnet werden. Mir gefällt Ihr Schreibstil übrigens sehr gut! Es sind diese kleinen Kleinigkeiten – hier zum Beispiel einfach nur diese Anführungszeichen um "gerettet"! –, welche die Phantasie des Lesers beflügeln. Und ein jeder wünscht sich wohl sofort, bei dieser "Rettung" ;) ein bißchen mitzumachen!

> Meiner Meinung nach (und auch noch von anderen)
> bezeichnet "die Tiefe" das Versinken, also die Bewegung.

Wer sind denn die anderen? :O Lassen Sie sich von denen nicht von Ihrem hervorragenden Stil und Ihren treffsicheren Formulierung abbringen. Mit "die Tiefe" meinen Sie doch sicher so etwas wie … also wie etwa "die Tiefe" eben, oder? Nein, nein, natürlich nicht lediglich eine große Ausdehnung in vorwiegend vertikaler Richtung! Man verstehe mich hier nicht falsch. Aber wenn sie "das Versinken" meinen, hätten Sie doch sicher "das Versinken" geschrieben, wenn "Bewegung", dann doch sicher "Bewegung", oder? Und Sie schreiben ja auch "versank". Für mich wäre "Tiefe" jedenfalls einfach nur "Tiefe", wobei ich mit "einfach" wohlgemerkt sowohl dieser Szene als auch der folgenden, diesem tiefen Eindringen in den See (in die Tiefe des Sees) zur "Rettung" der Kardioplegischen, die immense Metaphorik keinesfalls absprechen möchte!

> Ein Germanist, ein Deutschlehrer und dessen Bekannter, ein Professor,
> meinen, es heißt "der Tiefe", aber sie wussten womöglich nichts über
> den Zusammenhang, wie es gemeint ist.

Mich dünkt, hier hieße es besser "es heiße". In jedem Fall ist es ganz wichtig, zu ergründen, ob die drei Herren etwas über den Zusammenhang wußten, wie es gemeint ist. Insbesondere ist auch das Metier des Professors, des Bekannten des Deutschlehrers, kritisch zu prüfen. Unter den Elektrotechnikern etwa fand ich schon manch einen Professor, der nicht gerade befähigt schien, sachgerecht Literaten zu beraten. Und auch Germanisten und Deutschlehrer können, vor allem wenn sie nichts über den Zusammenhang wissen, wie es gemeint ist, mit ihren Empfehlungen weit neben Empfehlenswertem liegen.

> Ihre Begründung bezog sich auf die Form des Verbs und den Dativ?

Worauf sich diese Begründung bezog, kann Ihnen natürlich nur ein Vertreter der genannten Trias beantworten. Uns liegt sie leider nicht vor.

Zur Form, insbesondere zur Präfigierung des Verbs: Die Vorsilbe "ver-" hat im Verb "versinken" eine egressive Bedeutung. Sie drückt also das Ende oder die vollständige Durchführung eines Geschehens aus. Und dieses Ende, so meinen wohl manche Gelehrte, müsse schließlich an irgendeinem Ort stattfinden, könne sich nicht in einer Richtung vollziehen, könne also durch ein Adverbiale lediglich lokal und keinesfalls direktional genauer bestimmt werden. Deshalb haben wohl Kai "sank in die Tiefe" geschrieben und die Herren der Trias "versank in der Tiefe" vorgeschlagen.

Man muß hier aber vor allzuviel Gelehrsamkeit warnen. Auch unter den Germanisten und Deutschlehrern gibt es nämlich welche (wenn auch nicht in diesem Forum), die versuchen, ihre Sprache mit ein paar Maxwell-Gleichungen zu beschreiben und aus den Kalkulationen in ihrem Ultrakurzhirn verbindliche Präskriptionen für den Sprachgebrauch abzuleiten.

Sie, sehr verehrter Willi, sind jedoch Literat! Sie wissen: [Die gewähnte] Elisabeth "verschwand in die dunkeln Seitengänge" (Theodor Storm), der Schwan "verschwand in den blauen Horizont" (Ludwig Bechstein) und die kleine Seejungfrau (Hans Christian Andersen) sah gar den Prinzen "in das tiefe Meer versinken"! :)

> Man kann doch auch sagen: Er verschwand in die Höhle
> (also ging er hinein) oder Er verschwand in der Höhle (dort ist er verschwunden).

Das wird man doch wohl noch sagen dürfen! Und schreiben! Das ist absolut korrekt und im gegebenen Kontext sehr gut: versinken in die Tiefe des Sees, verschwinden in die Höhle, und sei es durch den Hintereingang :D. Bloß jetzt nicht mehr davon ablassen! Hier müssen Sie einfach dranbleiben!

> Meiner Meinung nach kann beides stimmen, nur es bedeutet etwas anderes.

Ganz meine Meinung.

> Vorsichtshalber zu meiner Entschuldigung, bin ein "Normalo", kein Gelehrter.

Dito. Normalo altrettanto ;). Ingegnere meccanico.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen, und wünsche noch zahlreiche Neuauflagen.

VG
Alfred

 

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Beiträge zu diesem Thema

die Tiefe oder der Tiefe
Willi -- Mo, 16.5.2016, 10:29
Re: die Tiefe oder der Tiefe
Ultrahirn -- Mo, 16.5.2016, 11:25
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Vollprofi -- Mo, 16.5.2016, 19:29