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Re: Interesse oder Interesses

Autor:Pumene
Datum: Fr, 08.12.2023, 19:41
Antwort auf: Interesse oder Interesses (Jana)

> Ich bin mir nicht sicher, ob es "mangels Interesse"
> oder "mangels Interesses" heißt. Eigentlich muss wohl
> das auf "mangels" folgende Wort im Genitiv stehen,
> allerdings klingt es in dem Fall für mich sehr ungewohnt.

Hier noch eine etwas ausführlichere Antwort:

https://grammatikfragen.de/showthread.php?1065-Mangels-Rechtsanspruch

2 Nilüfer Cakmak Nilüfer Cakmak ist offline
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Standard mangels Rechtsanspruch VS mangels Rechtsanspruchs
In Ihrer Frage möchten Sie wissen, welcher Kasus an die Präposition „mangels“ angeschlossen werden soll, der Genitiv („mangels Rechtsanspruchs“) oder der Dativ bzw. eine endungslose Form („mangels Rechtsanspruch“).

Sprachsystem[Text ausblenden]

Die Präposition „mangels“ regiert (=fordert) standardsprachlich den Genitiv (vgl. Duden Grammatik, §917).
Jedoch wird der Genitiv meist nur dann ausgedrückt, wenn dem Substantiv ein nominal flektiertes Wort (ein Adjektiv oder Artikel) vorangeht, das den Genitiv anzeigt (vgl. Duden Grammatik, §918). Wenn dem Substantiv kein Artikel oder Adjektiv vorangestellt ist, weicht man häufig auf eine andere Form aus. Im Plural wird regelhaft auf einen anderen Kasus, den Dativ, ausgewichen (vgl. Duden Grammatik, §918). Im Singular ist uneindeutig, ob es sich bei der anderen Form um den Dativ oder um eine unmarkierte (endungslose) Form, d.h. eine Form ohne Flexionsmorphem (ohne das Genitiv-s), handelt.

Beispiel
(1.1) mangels Wassers
(1.2) mangels Wasser
(1.3) mangels frischen Wassers

In (1.1) wird die Präposition „mangels“ mit dem Substantiv „Wasser“ im Genitiv verbunden. Da weder ein Adjektiv noch ein Artikel vor dem Substantiv steht, wird häufig auf eine andere Form ausgewichen. Man könnte diese (1.2) entweder als Dativ auffassen oder als Form, bei der die Kasusmarkierung eingespart wurde (das Genitiv-s).
In 1.3 ist dem Substantiv ein nominal flektiertes Wort, das Adjektiv „frisch“, vorangestellt. Daher wird die Nominalgruppe hier im Genitiv an die Präposition angeschlossen.

Dieses Prinzip soll an einem anderen Beispiel vorgeführt und quantitativ belegt werden.
Beispiel
(2.1.) mangels Beweise
(2.2.) mangels Beweisen
(2.3.) mangels eindeutiger Beweise

In diesem Beispiel wird die Präposition „mangels“ mit einem Substantiv im Plural („Beweise“) verbunden (2.1.). Wie bereits erklärt, wird bei Fehlen eines vorangestellten Adjektivs oder Artikels im Plural auf den Dativ ausgewichen (2.2).

Singular Plural
Nominativ (der) Beweis (die) Beweise
Genitiv (des) Beweises (der) Beweise
Dativ (dem) Beweis (den) Beweisen
Akkusativ (den) Beweis (die) Beweise

Dies kann (bezogen auf das Beispiel 2) in einer Sprachgebrauchsanalyse in den Textkorpora von Cosmas II und bei Google nachgewiesen werden:
Bei Google wird der Dativ „Beweisen“ 4 Mal häufiger an die Präposition angeschlossen, bei Cosmas II sogar 34 Mal häufiger.

Google Cosmas II
„mangels Beweise“ ca. 6.890 Treffer 58 Treffer
„mangels Beweisen“ ca. 31.000 Treffer ca. 2.019 Treffer

Wird dem Substantiv im Plural jedoch ein nominal flektiertes Wort (hier ein Adjektiv) vorangestellt, so dominiert der Genitiv.

Google Cosmas II
„mangels eindeutiger Beweise“ ca. 1.000 Treffer 21 Treffer
„mangels eindeutigen Beweisen“ 33 Treffer 0 Treffer

In Ihrem Beispiel
Beispiel
mangels Rechtsanspruch
mangels Rechtsanspruchs

steht kein Adjektiv oder Artikel vor dem Substantiv „Rechtsanspruch“. Daher kann auf den Dativ bzw. eine endungslose Form („mangels Rechtsanspruch“) ausgewichen werden. Sprachsystematisch sind beide Varianten möglich.

Sprachgebrauch[Text ausblenden]

In einer Sprachgebrauchsrecherche soll nun einerseits für Ihr konkretes Beispiel und andererseits über Ihr Beispiel hinaus untersucht werden, welcher Kasus bzw. welche Form häufiger mit der Präposition „mangels“ verbunden wird.

Für Ihr konkretes Beispiel sind die Differenzen im Sprachgebrauch minimal und daher nicht signifikant.

Google Cosmas II
„mangels Rechtsanspruchs“ ca. 408Treffer 0 Treffer
„mangels Rechtsanspruch“ ca. 464 Treffer 1 Treffer

Bei einer Analyse des Sprachgebrauchs über Ihr konkretes Beispiel hinaus haben wir im Textkorpus von Cosmas II untersucht, in welcher Form Substantive (im Singular und ohne vorangestelltes Adjektiv oder vorangestellten Artikel) bevorzugt an die Präposition „mangels“ angeschlossen werden.

Die Substantive sind bei der Analyse auf die Genera maskulinum und neutrum beschränkt worden, um die Unterschiede der Formen deutlich zu machen. Bei femininen Substantiven ist der Abbau der Kausmarkierung (der „Marker“, die die unterschiedlichen Kasus anzeigen, wie z.B. das Genitiv-s) so weit vorangeschritten, dass man keine unterschiedlichen Varianten feststellen könnte.
Beispiel
mangels Erfahrung

Man kann bei femininen Substantiven also keine Aussage über den gewählten Kasus oder eine potentiell endungslose Form treffen, da alle Formen gleich aussehen (=synkretistisch sind). In „mangels Erfahrung“ könnte „Erfahrung“ jeden Kasus im Singular abbilden. Vergleichen Sie hierzu die Kasustabelle des femininen Substantivs „Erfahrung“.

Singular Plural
Nominativ (die) Erfahrung (die) Erfahrungen
Genitiv (der) Erfahrung (der) Erfahrungen
Dativ (der) Erfahrung (den) Erfahrungen
Akkusativ (die) Erfahrung (die) Erfahrungen

Aufgrund dessen sind in der Analyse feminine Substantive ausgelassen worden. Bei Substantiven im neutrum und maskulinum lassen sich die unterschiedlichen Varianten im Singular deutlich erkennen.
Beispiel
Mangels Zuspruch
Mangels Zuspruchs

Beispiel
Mangels Geld
Mangels Geldes

Beispiel
Mangels Beweis
Mangels Beweises

Die Auswertung zeigt eine eindeutige Präferenz: Substantive werden signifikant häufiger in der endungslosen Form bzw. im Dativ an die Präposition „mangels“ angeschlossen.

Cosmas II
mangels + Substantiv im Genitiv 27,6%
mangels + Substantiv im Dativ/ endungsloses Substantiv 72,4%

Im Folgenden sind einige Beispiele aus der Analyse zu einem besseren Verständnis aufgeführt:

Beispiel
Beispiele für mangels + Substantiv im Dativ/ endungsloses Substantiv
Den Klub mußte er mangels Zuspruch schließen. (Mannheimer Morgen)

Klar ist heute auch, daß der Noch-Besitzer der Weinheimer Spedition, das Duisburger Familienunternehmen Franz Haniel, sein Tochterunternehmen mangels Profit abstoßen wollte. (Mannheimer Morgen)

Nachdem mangels Geld die früheren umfangreichen Maßnahmen zumindest zurückgestellt sind, wurden kleinere Maßnahmen angeregt. (Mannheimer Morgen)

Viele der mittelständischen Geschäfte könnten mangels Kapital nicht bei dem von Filialbetrieben und Warenhäusern diktierten Trend mithalten, Düfte und Kosmetik immer aufwendiger auf immer größerer Fläche zu präsentieren. (Mannheimer Morgen)

Mangels Angebot waren keine Preise für Mühlennachprodukte festzustellen. (Mannheimer Morgen)

Beispiele für mangels + Substantiv im Genitiv
Die Verfahren gegen die anderen Beamten wurden eingestellt, bei den meisten mangels Tatverdachts. (Mannheimer Morgen)

[…] da wird das Ermittlungsverfahren kurzerhand mangels Beweises eingestellt. (Mannheimer Morgen)

Mangels Geldes wurde bisher keiner der Vorschläge realisiert […] (Mannheimer Morgen)

Fazit
Standardsprachlich regiert die Präposition „mangels“ zwar den Genitiv, doch wird bei Fehlen eines vorangestellten nominal flektierten Wortes (eines Adjektivs oder Artikels) häufig auf eine andere Form ausgewichen. Im Plural ist diese regelhaft der Dativ (vgl. Duden Grammatik, §917-918).
Beispiel
mangels Beweisen (Dativ) statt mangels Beweise (Genitiv)

Im Singular ist die Form, auf die ausgewichen wird, schwerer zu identifizieren. Es könnte sich einerseits um den Dativ, andererseits um eine endungslose Form handeln (ohne Kasusmorphem/ Kasusmarker).
Sprachsystematisch sind beide Varianten korrekt. Prinzipiell können Sie je nach Ihrer persönlichen Präferenz den Dativ oder den Genitiv wählen.
Eine weiterführende Sprachgebrauchsrecherche hat jedoch ergeben, dass in Ihrem Fall (wenn die Präposition „mangels“ mit einem Substantiv im Singular verbunden wird, dem kein Artikel oder Adjektiv vorangestellt ist) signifikant häufiger das Substantiv im Dativ bzw. das endungslose Substantiv verbunden wird.

 

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