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> Und noch niemand hat gefordert, dass man
> "Ich kennenlerne gerne neue Menschen" sagen
> soll, damit man wisse, was gemeint sei.
Die RS-Reform bezieht sich ausschließlich auf die Schreibweise. Was du hier als Beispiel bringst, ist keine andere Schreibvariante, sondern eine andere Sprache.
> Ähnliches für die Wörter heilig sprechen,
> krank schreiben usw.
"Kennen" ist ein Verb, "heilig" und "krank" sind Adjektive - also bitte nicht alles in einen Topf werfen.
> Als ob man den Sinn dieser Wörter nicht schon
> immer mühelos aus dem Zusammenhang abgelesen
> hat.
Wenn du wüsstest, WIE schlecht der Großteil der Menschen wirklich genau versteht, was ein geschriebener(!) Satz meint. Die allermeisten benutzen doch nur ein paar auswendig gelernten (Alltags-) Floskeln und bemerken fast keine Feinheiten, wenn sie den Text nur lesen, ohne den Sprecher zu sehen. In Internet-Diskussionsforen kannst du überall erleben, dass viele nur einen kleinen Bruchteil oder sogar das genaue Gegenteil von dem lesen, was du gesagt hast. Wenn ein Satz länger als die berühmten 13 Wörter ist, greifen sie sich zwei oder drei Wörter heraus und phantasieren sich den Rest blind zusammen. Und das gilt auch für die so genannte geistige Elite. Und schlimmer noch, es gilt oft sogar für Menschen, für deren Beruf das präzise Erkennen des Gesagten ein K.-o.-Kriterium ist, nämlich für Übersetzer.
Das musste mal wieder gesagt werden.
Aber nun zu deinem Argument. Sicherlich kann man den Sinn meist am Kontext erkennen, und natürlich wissen das auch die Reformer und die Reformgegner genau. Die Sprache ist bekanntlich hoch redundant.
Aber du hast bisher nicht begründet, warum man Redundanz teilweise abschaffen soll. Wenn ein Arzt mich krankschreibt, dann ist das nun mal etwas anderes, als wenn ich krank (am Tisch sitze und) schreibe. Warum soll ich denn diesen Unterschied in der Schreibung unter den Tisch fallen lassen? In der mündlichen Sprache (Betonung) ist er ja auch vorhanden. Wie nützlich solche Redundanzen sind, merkst du, wenn du häufig Texte in mangelhafter Rechtschreibung lesen musst - man muss jeden Satz langsam und manchmal zweimal lesen. Du merkst es auch, wenn du Ausländern zuhörst, die auf merkwürdige Weise betonen. Ich habe mal minutenlang zu verstehen versucht, was ein grammatikalisch sehr gut deutsch sprechender Türke mit einem "Psohn"-Drucker meinte, am Ende stellte sich heraus, dass er einen "Eppsn"-Drucker meinte. Weil es in der Schriftsprache nun mal keine Betonung gibt, ist es ganz praktisch, wenn man diese fehlende Redundanz auf andere Weise mitgibt.
Du würdest auch nicht dafür plädieren, für "fahren", "fliegen", "reiten" usw. immer nur "gehen" zu sagen, nur weil man ja am Kontext erkennt, was gemeint ist ("Ich gehe mit dem Auto" = "Ich fahre mit dem Auto"). Du würdest auch nicht für das so genante Deppenleerzeichen plädieren, obwohl doch klar erkennbar ist, dass "Haus Tür" eine Haustür meint. Oder??
Und es gibt noch einen ganz anderen Gesichtspunkt. Die üblichen Beispiele ("krank schreiben" etc.) stammen allesamt aus der Alltagssprache, deren Wortschatz deckt aber nur - sagen wir mal - 10 % der gehobenen Sprache ab. Nimmt man einfache(!) Fachsprachen hinzu, dann ist der Anteil noch viel geringer. Außerhalb der Alltagssprache ist es aber längst nicht immer offensichtlich, was gemeint ist.
Insbesondere gilt das dann, wenn der Text Informationen transportiert, die der Leser (noch) nicht hat. "Wir können das nicht gut schreiben" - da weiß Lieschen Müller zunächst nicht, was das heißen soll und interpretiert es möglicherweise als "So können wir das nun wirklich nicht ausdrücken", weil das ihre Alltagssprache ist. Vielleicht war aber "Wir können keine Gutschrift erteilen" gemeint. Bei mündlicher Sprache erkennt Lieschen das (ohne sich dessen bewusst zu sein!) an der Betonung. Und was denkt sich der Werkstattmann, wenn er liest, er solle etwas "heiß kleben"? Das kann bedeuten, er solle es im erhitzten Zustand kleben; es kann aber auch bedeuten, er solle es "heißkleben" (also mit Heißkleber).
Man sollte das Problem nicht immer nur von der Seite des Schreibenden aus betrachten, sondern mehr von der Seite des Lesenden. Das Lesen sollte möglichst mühelos sein, nötigenfalls auf Kosten der Einfachheit des Schreibens. Meist wird etwas ja nur einmal geschrieben, aber -zigmal gelesen, da kann sich der Schreiber ruhig etwas mehr Mühe geben, um es dem Leser zu erleichtern.