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> • gemäss den ursprünglichen prinzipien unserer schrift
> • im interesse der lesenden und der schreibenden
> — Erhaltung und pflege des kulturguts buchstabenschrift
Um den letzten Punkt wird man sich keine Sorgen machen müssen. Zu keiner Zeit gab es mehr Buchstaben als heute, zu keiner Zeit gab es so viele Bücher.
Was die "ursprünglichen prinzipien unserer schrift" sagen wollen, verstehe ich nicht. Zu den ursprünglichen Prinzipien zählt natürlich nicht die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinbuchstaben (Minuskeln sind eine späte Erfindung), aber Punkt und Komma gab es ursprünglich auch nicht. Das einfachste wäre also, man kehrte dahin zurück: nur Großbuchstaben, kein Punkt und kein Komma.
Nur, "im interesse der lesenden" wäre das nicht. Die Schrift ist nicht dazu da, den Schreibenden das Schreiben zu erleichtern, sondern den Lesern das Lesen. Das Brot ist nicht für den Bäcker da, das Schauspiel nicht für den Schauspieler, die Musik nicht für den Dirigenten, Häuser nicht für Architekten, Gasleitungen nicht für Installateure und Dächer nicht für Dachdecker. Ein Dach konstruiert man so, daß es keinen Regen durchläßt, auch wenn der Dachdecker dadurch mehr Arbeit hat. Und Orthografie dient nicht der Erleichterung des Schreibens, sondern des Lesens.
Man kann drüber streiten, ob Kleinschreibung tatsächlich das Lesen so sehr erschwert, wie ihre Gegner sagen. Aber es ist in jedem Fall falsch anzunehmen, daß Kleinschreibung das Lesen erleichtere. Und der Ansatz, daß Schriftregeln in erster Linie für den Schreibenden leicht sein sollten, ist erst recht falsch.
> Oder vielleicht hilft ein blick in das grösste wörterbuch der
> deutschen sprache weiter: http://dwb.bbaw.de .
Das Grimmsche Wörterbuch ist eines der wichtigsten Bücher deutscher Sprache über die deutsche Sprache. Aber es gibt darin eine unziemliche und heute sicher nicht mehr übliche, weil unwissenschaftliche Gepflogenheit: die zahlreichen Belegstellen für Wörter und deren Verwendung der Kleinschreibungsidee von Jacob Grimm zu unterwerfen. Die Rechtschreibung von Zitaten so zu verschlimmbessern, ist leider ein Fehler, denn Zitate sollte man nicht so radikal antasten.
Abgesehen davon ist Grimm, was Kleinschreibung angeht, ja kein Beispiel dafür, daß Kleinschreibung durchsetzbar ist, sondern nur ein Beispiel für einen gescheiterten Ansatz -- den könnten sich also Kleinschreibungsgegner genauso auf die Fahnen schreiben.
Wir wissen alle nicht, wie sich die Dinge entwickeln werden -- vielleicht haben wir in 200 Jahren die Kleinschreibung, vielleicht nicht. Bisher war jeder Versuch, sie schmackhaft zu machen, aber vergeblich und fand nicht viele Nachahmer. Zuletzt entschwanden dergleichen Reform-Ideen sang- und klanglos wieder in die Schubladen der Reformer, denn kein Leser will sie. Das hängt sicher mit Gewöhnung zusammen, liegt aber auch an der Syntax der deutschen Sprache, deren Wortstellung nicht ganz einfach ist und die obendrein erlaubt, durch Klein- und Großschreibung Bedeutungsdifferenzierungen darzustellen: Wenn mir jemand leid tut (oder leidtut), dann ist das beinahe das Gegenteil davon, daß er mir Leid tut. Von Scherzen wie "helft den armen Vögeln -- helft den Armen vögeln" wollen wir erst gar nicht sprechen.
Wir Verteidiger der Großschreibung, lieber Herr Landolt, wollen auf gewisse Differenzierungen nicht verzichten und nicht auf die Leseerleichterung. Das müssen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, aber Sie müssen gewärtig sein, daß die Großschreibung mehr Freunde hat als Gegner und der Eigenbrötler mehr Gegner als Freunde. Zudem hat die Lese- wie die Schreibgemeinschaft zur Zeit, nämlich nach 1996 bis 2006, auf eines am wenigstens Lust: auf am Schreibtisch erdachte, willkürliche Reformen.