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Von Studis und Azubinen

Autor:PaulW
Datum: Di, 02.01.2007, 04:47

"Studis" und andere "Verniedlichungen" in unserer Sprache

Die Zeitung X versucht in letzter Zeit, die Bezeichnung „Studi“ in unseren Sprachgebrauch einzuführen. Das klingt wie ein Wort aus der Spaßgesellschaft, mit der es aber doch erkennbar zu Ende geht. Was hat
man sich unter einem/einer „Studi“ vorzustellen? Es klingt jedenfalls
nicht so ernsthaft, wie das alte „Student“, nicht einmal wie das als
Westimport zu uns gekommene „Studierende/r“. Ist ein „Studi“ vielleicht eine/einer, die /der z.B. das Fach Psychologie nur zur Selbsterfahrung studiert? Oder jemand, der mal eben so ein Schnupper-Studium aufnimmt?

Oder vielleicht ein Opfer des „Bologna-Prozesses“ in Form eines
kurzstudierenden Bachelors, ein „Bachi“ (gesprochen „bätschi“), auf den die EU-Arbeitswelt bekanntlich dringend wartet?

Für Kleinkinder ist es normal, von der „Mami“, dem „Papi“, der „Omi“ zu sprechen. Dann kommt heute ein Durchgangsstadium als „Kids“ (ursprünglich waren das im Englischen die Ziegenjungen, sprachverwandt
mit unserem „Kitz“). Im Freizeitbereich freut man sich vom Fernsehsessel aus über in einer „Quali“ sich abquälende „Schumi“ und „Schweini“, letzterer gecoacht von „Klinsi“. Meist werden jedoch im späteren Lebensalter diese Verkleinerungsformen -abgesehen von erfreulichen Susis und Heidis- zum Teil lächerlich oder ärgerlich. Ein Beispiel dafür ist das exotisch klingende Wortungetüm „Azubi“ (weiblich „Azubine“?). Den bisherigen Lehrlingen wurde diese Importbezeichnung von „Bundis“ erfolgreich übergestülpt. Aus den USA kamen über die Alt-BRD zu uns die „Graffiti“-Schmierereien, die von offensichtlichen „Subkultis“ oder „Assis“ (alter, nicht korrekter Begriff) an die Hauswände von „Gruftis“, „Compostis“ und „Softis“ gesprüht werden. Diese wehren sich teilweise in Zusammenschlüssen wie „Nofiti“, wenn sie nicht schon resigniert haben.

Aus „Studis“ mit falscher Fachwahl können leicht stellenlose Angehörige des Prekariats („Prekaris“?) oder Hartzgeld-Empfänger („Hartzis“?) werden. Sind sie aber auf der Karriereleiter Erfurter ProfessorInnen oder MinisterInnen geworden, stülpen sie sich durchaus auf dem Domplatz vor Gottschalks laufenden Fernsehkameras „Schnappi“- Kostüme über und bringen entsprechende Gesänge dar.

Einen Spezialfall haben wir jetzt in Erfurt mit einem Oberbürgermeister („Obi“?), der von seinen AnhängerInnen gerne Bausi genannt wird. Stellvertreterin Tamari?

Offenbar von Wortschöpfern, denen die Wiedervereinigung nicht paßte und denen der einmal zu hörende Ruf „Wir sind ein Volk“ zuwider war und ist, wurden die Bezeichnungen „Ossi“ und „Wessi“ erfunden und wirksam verbreitet. Damit konnte man wunderbar -aus der Spaltung und ihren Folgen entstandene- tatsächliche oder behauptete Unterschiede betonen und Gemeinsames verdrängen. Als Thüringer sind wir -Gott sei Dank- in der angenehmen Lage, eher „Mittis“ zu sein. Warum spricht man eigentlich nicht auch von „Nordis“ und „Südis“? Und was ist denn eigentlich ein aus Ostpreußen oder Schlesien stammender Mensch? Vielleicht ein „Fernossi“?

Dann gibt es noch zahlreiche politische „i-Wörter“, die teilweise
Unworte sind oder zu solchen gemacht wurden und bei deren Verwendung man sich quasi leicht in die Nesseln setzen kann: Sozi, Stasi/Nasi, Nazi, Multikulti usw.

Dr. H. Thieler, Erfurt, 01.01.06

(Leicht erweiterte Fassung eines Leserbriefs)

 

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Beiträge zu diesem Thema

Von Studis und Azubinen
PaulW -- Di, 2.1.2007, 04:47
Re: Von Studis und Azubinen
Julian von Heyl -- Di, 2.1.2007, 12:12
konservativ
Charlotte -- Di, 2.1.2007, 23:36