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Rechtschreibforum

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Re: Rechtschreib-Anarchie

Autor:Julian von Heyl
Datum: So, 08.02.2004, 09:15

Hi Oliver,

meinetwegen nenne die Falschschreiber überfordert. Aber ich halte es für eine noch größere Überforderung, für bestimmte Wörter oder Wendungen direkt mehrere Schreibweisen verinnerlichen zu müssen.

Wir erwerben unsere Kenntnisse um die Rechtschreibung ja nicht, indem wir den Duden auswendig lernen, sondern eher unbewusst, zum Beispiel durch vieles Lesen. So entstehen ja auch die "Denglisch"-Fehler wie "Addresse" statt "Adresse" und "Gallerie" statt "Galerie" - weil man einfach zu oft auf englischen Webseiten die "address" abgefragt bekam oder eine "gallery" besuchte.

Entsprechend kennen wir auch die Schreibung von Wörtern wie "selbständig" - weil wir das Wort schon x-mal gesehen haben. Lesen wir aber nun im SPIEGEL "selbständig" und im STERN "selbstständig" (beides ist ja richtig!), kann dieses "unbewusste Lernen" nicht mehr stattfinden. Was in letzter Konsequenz zu einer eher intuitiven und phonetisch abgeleiteten Orthografie führt, eben zur von Dir propagierten Rechtschreib-Anarchie.

Mir persönlich ist es letztlich wurscht, ob man nun "das tut mir Leid" oder "das tut mir leid" schreibt, auch wenn mir letztere Variante mehr einleuchtet, aber ich finde, die Kommission sollte sich auf eine Variante festlegen. Alles andere stiftet nur unnötige Verwirrung.

Ähnliches gilt für die Trennregeln. Natürlich ist es eine Vereinfachung, wenn man auch "Inte-resse" trennen kann. Die in der (zumindest weiterhin gültigen) Trennung "Inter-esse" enthaltene sprachkulturelle Information, dass sich das Wort aus den (lat.) Bestandteilen "inter" (= zwischen, mitten) und "esse" (= sein) ableitet, geht dabei allerdings verloren. Wobei auch bei Nicht-Fremdwörtern nicht Halt gemacht wird: Das eher altmodische Wörtchen "Obacht" darf man beispielsweise neben "Ob-acht" auch "O-bacht" trennen. Man sagt aber nicht "Oh-Bacht", sondern "Ob-Acht", entsprechend der Herleitung aus den Bestandteilen "ob" für "über" und "Acht" im Sinne von Aufmerksamkeit, Fürsorge.

Von der typographischen Hässlichkeit solcher Ein-Buchstaben-Abtrennungen jetzt mal gar nicht zu reden. Warum erlaubt der Duden in seinem Band 1 Trennmonster wie "Feiera-bend", "Backo-fen", "Seeu-fer", wenn er im Band 4 "Richtiges und gutes Deutsch" gleich wieder von ihrer Verwendung abrät?

Gruß, Julian

 

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