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Rechtschreibforum

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Typografie ;)

Autor:Birgitta
Datum: So, 08.02.2004, 15:59

> Aber ich halte es für eine
> noch größere Überforderung, für bestimmte
> Wörter oder Wendungen direkt mehrere
> Schreibweisen verinnerlichen zu müssen.
>
Und besonders bei schlampigen Übersetzungen, die
weltweit greifen - wie das bei den Angebotsschablonen in den Programmrastern bei Internet-Anbietern, vom Großkaliber mächtigem Jahresumsatzes, stillschweigend zugelassen wird.
Allerdings hier fliegen Menschen die die Muttersprache durchaus beherrschen in der Jahresentausscheidung immer noch in die Ehrenrunde, sprich Verlängerung der verdienstlosen Zeit und Karrieremanko, weil die allgemeine Schreibweisenstreuung kein durch fleißiges Lesen angeleitetes Verfeinern eben dieses Sprachgefühls auch im Schriftlichen mehr ermöglichen kann.

> Wir erwerben unsere Kenntnisse
> um die Rechtschreibung ja nicht, indem
> wir den Duden auswendig lernen, sondern
> eher unbewusst, zum Beispiel durch vieles
> Lesen. So entstehen ja auch die "Denglisch"-Fehler
> wie "Addresse" statt "Adresse"
> und "Gallerie" statt "Galerie"
> - weil man einfach zu oft auf englischen
> Webseiten die "address" abgefragt
> bekam oder eine "gallery"
> besuchte.

Wobei sich natürlich durchaus in den Raum stellen lässt, was lebendige Sprache ist und daher bestimmten Veränderungen entworfen - durch gewisse Entwicklungen und unbewusste Rationalisierungen, auch aus Spezialisierungsgründen, nicht allen Normbedingungen gerecht werdend.
Noch ein Argument für klare Regeln die Sinn machen, und nebensächlichen Fehlern nicht allzu viel Bedeutung zuzumessen.

> Entsprechend kennen wir auch die
> Schreibung von Wörtern wie "selbständig"
> - weil wir das Wort schon x-mal gesehen
> haben. Lesen wir aber nun im SPIEGEL
> "selbständig" und im STERN
> "selbstständig" (beides ist
> ja richtig!), kann dieses "unbewusste
> Lernen" nicht mehr stattfinden.

Genau, dieser Blödsinn leuchtet mir eben auch nicht ein!
Die gebeutelte Leserin oder der noch tiefer geneigte Leser fühlt sich schlimmstenfalls an Gerüchte über Kodiermaschinen in Krisenzeiten erinnert!

> Was in letzter Konsequenz zu einer eher
> intuitiven und phonetisch abgeleiteten
> Orthografie führt, eben zur von Dir
> propagierten Rechtschreib-Anarchie.
>
Oder zu einer Verwischung - was ist richtig, was ist falsch - die vielleicht dazu führt, für die Deutlichkeit des sinngemäß schriftlich als logische Aussage festgeschrieben, unwesentliche Fehler nicht überzubewerten, und wesentliche - weil in der Aussage-Deutlichkeit zweideutig werdend - etwas stärker zu beachten und da Präzision und Einheitlichkeit zu normieren?

> Mir persönlich ist es letztlich
> wurscht, ob man nun "das tut mir
> Leid" oder "das tut mir leid"
> schreibt, auch wenn mir letztere Variante
> mehr einleuchtet,
> ...

Eben da kommen doch zwei Sinn-Übertragungen ins Schriftliche:
- etwas tut jemand Leid (an), im Sinne von _für diese Person verletzend sein
- etwas tut jemand leid, im Sinne von _bei dieser Person Mitleid oder den Drang, sich zu entschuldigen, zu erregen (wobei diese Doppeldeutigkeit mit dieser Redewendung im Schriftlichen nicht deutlich präzisiert wird, nach den geläufigen Duden-Normen und Schreibweisen bis heute - und genau dies machte und macht doch den Reiz des Schreibens auch aus: im Mündlichen nicht darstellbare sinngemäße Feinheiten schriftlich zu verdeutlichen zu können).

> ...aber ich finde, die
> Kommission sollte sich auf eine Variante
> festlegen. Alles andere stiftet nur
> unnötige Verwirrung.

> Ähnliches gilt für die Trennregeln.
> Natürlich ist es eine Vereinfachung,
> wenn man auch "Inte-resse"
> trennen kann. Die in der (zumindest
> weiterhin gültigen) Trennung "Inter-esse"
> enthaltene sprachkulturelle Information,
> dass sich das Wort aus den (lat.) Bestandteilen
> "inter" (= zwischen, mitten)
> und "esse" (= sein) ableitet,
> geht dabei allerdings verloren. Wobei
> auch bei Nicht-Fremdwörtern nicht Halt
> gemacht wird: Das eher altmodische Wörtchen
> "Obacht" darf man beispielsweise
> neben "Ob-acht" auch "O-bacht"
> trennen. Man sagt aber nicht "Oh-Bacht",
> sondern "Ob-Acht", entsprechend
> der Herleitung aus den Bestandteilen
> "ob" für "über"
> und "Acht" im Sinne von Aufmerksamkeit,
> Fürsorge.

Klasse! Ich habe oft den Eindruck, hier hat der Druck, einen Spaltensatz unter Zeitdruck so kompress wie möglich zu setzen, in Paarung mit den technischen Möglichkeiten satztechnisch unfein ausgearbeiter Massenverbreitungs-Texteditoren, die Duden-Komission dazu verleitet, Scharlatanerie mit der Sprache zu erlauben!
Was ein berechtigter Grund zur inneren Kündigung ist - besonders bei sprachlich Begabten, die undank solcher Verwirrung, ihre Begabung unter diesen Bedingungen nicht entfalten können.
Oder auch hier ein Zeichen der Tendenz, sich lieber an Nebensächlichkeiten zu erschöpfen, als wahre Ursachen für wirkliche Probleme bei der Wurzel zu packen?

> Von der typographischen Hässlichkeit
> solcher Ein-Buchstaben-Abtrennungen
> jetzt mal gar nicht zu reden. Warum
> erlaubt der Duden in seinem Band 1 Trennmonster
> wie "Feiera-bend", "Backo-fen",
> "Seeu-fer", wenn er im Band
> 4 "Richtiges und gutes Deutsch"
> gleich wieder von ihrer Verwendung abrät?
>

> Gruß, Julian
>
Kann das sein, daß Du Christian Stangs erwähnten 4.Bericht jetzt assoziiert hast mit dem 4. Band, und so der 9. Band, konzentriert auf das hier Wesentliche, unbewusst numerisch in den Hintergrund rückte?
Interessante Phänomene zur Funktionsweise der Hirne, die sich hier auftun ;) ?

Gruß
Birgitta
(die froh ist, hier Wesentliches zur Sprache gebracht zu finden - woran sie schon länger, auch im Zusammenhang mit ihren existenziellen und Entfaltungs-Möglichkeiten, zu knabbern hat)

 

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