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Re: Komma bei Infinitiv mit zu

Autor:Andreas
Datum: Mo, 03.05.2010, 07:47
Antwort auf: Re: Komma bei Infinitiv mit zu (Kai)

> Ich habe ein wenig recherchiert und herausgefunden, dass es vor
> 35 Jahren eine Regel gab, auf die du und Andreas euch wohl
> bezieht.

> Der vorangestellte erweiterte Infinitiv wird nicht vom
> Hauptsatz abgetrennt, wenn er das Subjekt vertritt.

> Beispiel: Das verschmutzte Rheinwasser zu reinigen ist eine
> dringende Aufgabe.

> Von einer Vertretung des Objekts durch den erweiterten Infinitiv
> war nirgendwo die Rede. Ich kann mir auch beim besten Willen
> keinen Satz vorstellen, in dem dies der Fall sein sollte.

> Im Übrigen lässt sich die erste Regel gar nicht auf den
> Ausgangssatz anwenden.

> Gruß von Kai

Hallo, Kai,
du hast recht: Ich habe diese alte Regel nicht wörtlich zitiert. Von Infinitivgruppen, die das Objekt eines Satzes vertreten, ist im alten Komma, Punkt und die anderen Satzzeichen so nicht die Rede. In dem Beispielsatz, der hier unter R165 angeführt wird, ist m. E. aber genau das der Fall.

Diesen Vorgang zu erklären, wollen wir versuchen.

Was wollen wir versuchen? - Das Erklären (die Erklärung) wollen wir versuchen.

Das Komma zu setzen, wird hier zum Normalfall erklärt. Als Ausnahme von dieser Regel wird das angeführt, was auch du zitierst: Vertritt der erweiterte Infinitiv mit zu das Subjekt, wird kein Komma gesetzt.

Und diese Regel lässt sich m. E. durchaus anwenden auf den Ausgangssatz:
Den Änderungen in dieser Zeit zu begegnen heißt, Entscheidungen zu treffen ...
Also: Was heißt, Entscheidungen zu treffen ...? - Das Begegnen heißt ... Die Begegnung bedeutet ...

Vom Inhalt dieses Satzes ist es nicht so einfach, das nachzuvollziehen, dass der erste Infinintiv das Subjekt vertritt. Der Beispielsatz in Komma, Punkt ... leuchtet das zunächst viel leichter ein:

Seine Mitmenschen hinters Licht zu führen machte ihm eine diebische Freude.

Was machte ihm Freude? - Das Hinters-Licht-Führen machte ihm Freude.

Trotzdem haben die beiden Sätze m. E. dieselbe Struktur.

Auf meinem Schreibtisch liegt - vermutlich ebenso wie auf deinem - die Ausgabe von Komma, Punkt und die anderen Satzzeichen von 1968. Damals hat mich Kommasetzung noch nicht besonders interessiert. Fünf Jahre später dann schon, und auch die folgenden Jahre und Jahrzehnte habe ich mich mit Zeichensetzung immer wieder beschäftigt. Davon, dass diese Regel oder eine andere abgeschafft wurde, habe ich nichts mitbekommen. Soviel ich weiß, wurden die Regeln der Zeichensetzung erst in Frage gestellt, als man anfing,* über die neue Rechtschreibung zu diskutieren. Aber vielleicht weißt du da ja Genaueres.

Heute ist das Komma wohl grundsätzlich freigestellt, unabhängig davon, was die vorangestellte Infinitivgruppe vertritt oder nicht. Ob das ein Fortschritt ist, weiß ich nicht. Das ganze Problem halte ich nicht für besonders wichtig. Weder heute noch in der Vergangenheit. Die alte Regel hat wohl eher im Verborgenen gewirkt. Ein Großteil der Schreiber kannte sie, ein Großteil der Leser nicht. Trotzdem hat sie m. E. einen kleinen Beitrag zum flüssigeren Lesen geleistet. Mehr nicht.

Gruß,
Andreas

* Was ist eigentlich aus der alten Regel geworden, die dieses Komma freigestellt hat? Was ist nach neuer Rechtschreibung richtig?

Eine ganz andere Frage: Wie sinnvoll ist es überhaupt, Kommas freizustellen? Wie verhält sich das zu der oft gehörten Klage der Reformer, die Kommaregeln seien zu kompliziert, die Schüler seien damit überfordert? Sind sie es jetzt nicht erst recht? Und was ist mit den Lesern? Hat an die jemand gedacht? Ich weiß von einer befreundeten Lektorin, dass einige Verlage schon bald zur alten Zeichensetzung zurückgekehrt sind (es wäre interessant zu wissen, welche das sind, ich muss sie mal fragen). Das betrifft dann auch so relativ unbedeutende Unterscheidungen, wie ich sie genannt habe.

 

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Komma bei Infinitiv mit zu
Silli -- Fr, 30.4.2010, 14:16
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Kai -- Fr, 30.4.2010, 14:28
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Silli -- Fr, 30.4.2010, 14:33
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Antonia -- Fr, 30.4.2010, 16:23
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tom van hoogen -- Sa, 1.5.2010, 11:55
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Karin -- So, 2.5.2010, 13:57
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Kai -- So, 2.5.2010, 14:39
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Andreas -- Mo, 3.5.2010, 07:47
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Andreas -- Mi, 19.5.2010, 06:31