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Re: Konjunktiv II -- kann oder könnte?

Autor:Jesse
Datum: Di, 03.01.2017, 18:18

Es ist das, was du in vielen Bewerbungsratgebern finden wirst und dort anscheinend Konsens ist. Das kann man natürlich hinterfragen und für sich selbst entscheiden, ob man sich daran halten will. Wenn man sich (selbst aus guten Gründen) dagegen entscheidet, besteht aber die Gefahr, dass der zuständige Bearbeiter in der Personalabteilung einen solchen Ratgeber gelesen hat und dann den Konjunktiv mindestens unterbewusst als schlechten Stil auffasst, was sich negativ auswirken kann.

In der Sache ist es meines Erachtens durchaus nachvollziehbar. Die Bewerbung soll selbstbewusst wirken und aktiv. Deswegen wird auch das Passiv als stilistisch schlecht angesehen. Man sieht das auch in der Werbung. Dort heißt es: "Probieren Sie jetzt!" Nicht: "Wir würden uns freuen, wenn Sie unser Produkt probieren würden." Auch in Hinblick auf das Passiv: "Wir haben unser Produkt verbessert." Nicht: "Unser Produkt wurde verbessert." Da steckt das AIDA-Prinzip der Werbung dahinter. Attention, Interest, Desire, Action. Die Bewerbung – das steckt schon im Namen – ist nichts anderes als Werbung, nur eben nicht für ein Produkt, sondern für sich selbst. Der Kunde soll das Produkt kaufen. Und er kauft es anscheinend eher bei der direkten Aufforderung: "Probieren Sie jetzt!" Das Prinzip ist in der Bewerbung das gleiche. Man möchte es im Vergleich zur Produktwerbung etwas reduzieren, um nicht aufdringlich zu wirken, aber das AIDA-Prinzip bleibt, an dessen Ende die Action steht, also die Einladung zum Vorstellungsgespräch. Zu der will man den Bearbeiter bringen. Und da ist es nicht unbedingt eine Einladung zur sofortigen Action zu schreiben: "Ich würde mich freuen, wenn sie mich zu einem Vorstellungsgespräch einladen würden." Es muss nicht sein: "Laden Sie mich jetzt zu einem Gespräch ein!"; aber schon die Umformulierung der konjunktivischen Höflichkeitsformulierung kann sich positiv auswirken: "Ich freue mich darauf, mich Ihnen in einem persönlichen Gespräch näher vorstellen zu können." Oder: "Ich freue mich auf ein persönliches Gespräch mit Ihnen."

Der Konjunktiv ist der Irrealis. In der Bewerbung soll sich der zukünftige Arbeitgeber ganz konkret vorstellen können, welchen Gewinn er durch den Bewerber als Arbeitnehmer hat. Der Irrealis ist da hinderlich. Er distanziert ja von der Realität. Das ist auch seine Funktion in den Höflichkeitsfloskeln. Würdest du das tun? — Wenn ich dich fragen würde, was ich hiermit aber noch nicht tue, sodass du, wenn du nicht möchtest, eine rein hypothetische Frage verneinen kannst. Das ist abschwächend und entemotionalisierend. Genau das Gegenteil will ich in der Werbung. Da will ich keine hypothetische Metaebene, sondern beim Kunden in der Realität das Kaufverlangen wecken und letztlich den Kauf. Dazu muss er sich in der konkreten Realität vorstellen, wie toll es wäre, das Produkt zu haben. Oder eben in der Bewerbung, wie toll es wäre, den Bewerber als Mitarbeiter zu haben. Das funktioniert mit einer aktiven, klaren Sprache deutlich besser als mit dem Irrealis.

 

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