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Re: "Sinn machen"

Autor:Ulrich Lieberum
Datum: Mi, 25.03.2020, 19:51
Antwort auf: Re: "Sinn machen" (Oliver Glindemann)

"Sinn machen" ergibt möglicherweise Sinn.

Ich bin mir seit neuestem sicher, dass die Argumentation, "Sinn machen" sei vom englischen "that makes sense" abgeleitet und eigentlich falsch übersetzt (Siehe auch Zwiebelfisch "Stop making sense!"), so nicht haltbar ist. Ganz gleich, wer das womit zu belegen versucht.

Nutzt man den Google Translator, sagt der immer dasselbe:

"Das macht Sinn." zu "That makes sense." und zurück zu "Das macht Sinn.".
"Das ergibt Sinn." zu "That makes sense." und zurück zu "Das macht Sinn.".

Ein ähnliches Ergebnis erhält man bei dict.cc

"Das macht Sinn." zu "That makes sense." und zurück zu "Das macht Sinn.".
Aber
"Das ergibt Sinn." zu "It makes sense." und zurück zu "Es ist plausibel.", "Es ist sinnvoll.", "Es ergibt einen Sinn."

Wie dem auch sei.

Ich bin auf Quellen gestoßen, welche nicht auf Spekulationen oder Meinungen beruhen, sondern auf dem gedruckten Wort. Und diese Quellen sind älter als jede deutsche Rechtschreibregel, und älter noch als das erste deutsche Wörterbuch.

Die älteste ist das Wort Martin Luthers (1483 - 1546), der in seiner "Auslegung deutsch des Vaterunsers, für die einfältigen Laien" sagt:
"Die weyse ist, das man wenig wort mache, aber vill und tieffe meinungen oder synnen"
("Martin Luther im Widerstreit der Konfessionen – Historische und theologische Perspektiven" Verlag Herder 2017, Seite 43), und
"Die Weise ist, dass man wenig Worte mache, aber viel und tiefe Meinungen oder Sinne."
("Auslegung Deutsch des Vater Unsers, für die einfältigen Laien", Glaubensstimme.de)

Die zweite Quelle ist Gotthold Ephraim Lessing: "Ein Übersetzer muß wissen, was einen Sinn macht." heißt es in "Briefe, die neueste Literatur betreffend" (Erstdruck: Berlin und Stettin (Nicolai) 1759-1765, Seite 218)
und
"Nun ist es wahr, daß dieses eigentlich keinen falschen Sinn macht; aber es erschöpft doch auch den Sinn des Aristoteles hier nicht." ("Hamburgische Dramaturgie", notiert am 8. März 1768)

Eine dritte Quelle ist kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe. In Band 2 seiner "Poetischen und prosaischen Werke" heißt es:
"Sie sind theils als Solo, Duett, Chor gesetzt und unglaublich original, ob man gleich sich erst einen Sinn dazu machen muß."
("Goethe's poetische und prosaische Werke, Band 2", Stuttgart und Tübingen, Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung, 1837, Seite 437)

Und schließlich noch eine vierte Quelle, welche weiteren Aufschluss gibt:
"Wer ganz ohne Fehl ist, der werfe jetzt den ersten Zwiebelfisch. Er träfe bloß Luther, Lessing, Goethe. Übrigens hätte ein kleiner Blick herüber in das Wörterbuch der Gebrüder Grimm genügt (s.v. Sinn II, 21f., dort Zitate), um zu erfahren, woher das englische wie deutsche Sinn machen kommt, nämlich aus dem Mittellatein der Scholastik: "Sententiam facere", wie es tat "Petrus der maister Lampardus, der die sentencias machet, das ist das puch von hochen synnen zu teutsch". "Sentenz" als Meinung wie auch als Urteil – das macht schon Sinn."
("Allgemeinbildung in Deutschland – Erkenntnisse aus dem SPIEGEL-Studentenpisa-Test", VS-Verlag für Sozialwissenschaften, 1. Auflage 2020, Seite 16)

Das lässt die Verteufelungen des umgangssprachlichen "Sinn machen" in einem ganz anderen Licht erscheinen. Oder nicht?

 

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"Sinn machen"
peter -- Fr, 15.10.2004, 11:07
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