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meine persönliche Einschätzung

Autor:Kurt Krueger
Datum: Fr, 20.07.2001, 00:21


Hallochen!

> Durch die Präzisierung 'DIESEN Jahres', entsprechend dem im Duden erwähnten Genitivus
> Qualitatis, verstehe ich den erweiterten, also qualifizierenden Sinn das es sich in
> diesem Fall buchstäblich um das aktuelle Kalenderjahr handelt.

Den Sinn "aktuelles Kalenderjahr" kann man auch in "dieseS Jahres" reininterpretieren.

Den gleichen Quatsch habe ich vor 10 Jahren durchgespielt, als ich in "mir selbst" und
"mir selber" verschiedene Bedeutungen gefunden haben wollte und meinen Mitmenschen
diese verschiedenen Bedeutungen in allem Ernst erklärte. Die wollten das aber gar nicht
wissen. Die hielten mich für bescheuert. Und das war ich leider auch. Denn die Wahrheit
ist ganz einfach: "mir selbst" ist richtig, und "mir selber" ist bloß eine umgangssprachliche
Abwandlung davon.

Ebenso verhält es sich mit "dieseS Jahres" und "dieseN Jahres".


Wie unpassend der Gebrauch von "dieseN Jahres" ist, wird durch eine einfache Überlegung klar:

Wenn der Gebrauch des Buchstabens "N" erlaubt wäre, wie bei ...

     Der 45-jährige gab zu, seine Lebensgefährtin im März dieses Jahres erdrosselt zu haben.
     Der 45-jährige gab zu, seine Lebensgefährtin im März diesen Jahres erdrosselt zu haben.

... dann müßte das auch gelten für ...

     Der 45-jährige gab zu, seine Lebensgefährtin im März eines früheren Jahres erdrosselt zu haben.
     Der 45-jährige gab zu, seine Lebensgefährtin im März einen früheren Jahres erdrosselt zu haben.

     Der 45-jährige gab zu, seine Lebensgefährtin im März des Jahres 2001 erdrosselt zu haben.
     Der 45-jährige gab zu, seine Lebensgefährtin im März den Jahres 2001 erdrosselt zu haben.

... und für ...

     Der 45-jährige gab zu, seine Lebensgefährtin am ersten Tag diesen Woche erdrosselt zu haben.

Logisch betrachtet.


Bei einer rechtlichen Betrachtung (also bei der Frage, was gesetzlich richtig ist) kommt
allein das zum Tragen, was der Kultur-Minister des Bundeslandes, in dem man lebt, als
richtig bestimmt. Die Kultur-Minister aller Bundesländer haben da ja einheitliche Regelungen
getroffen (in einem Staatsvertrag, wenn ich nicht irre). Diese Regelungen sind mir im Fall
"dieseS/dieseN" nicht bekannt. (Zum Glück! "DieseN" ist vermutlich erlaubt!)

Der Duden gibt die Regelungen der Kultur-Minister wieder und ergänzt sie mit Regelungen, die
die Duden-Redaktion angeblich dem Volke abgeschaut hat. Der Duden übertreibt es damit leider,
zum Beispiel bei "downgeloaded". Die Ergüsse des Dudens sind also mit Vorsicht zu genießen.
Andererseits gab es den Duden schon, als es die gesetzlichen Regelungen noch nicht gab.

An dieser Stelle eine kurze Werbe-Unterbrechung
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
mehr davon

Es gibt aber noch einen weiteren Gesichtspunkt, und der wäre für Ihren Kollegen die beste
Rechtfertigung: Die Lebendigkeit der Sprache.

Die Sprache wird maßgeblich von denen, die sie sprechen, bestimmt. Die meisten Menschen
kümmert es nicht, was die Kulturminister wollen oder was im Duden steht. Die sprechen
so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Wenn die Leserschaft Ihres Kollegen Simpel-Deutsch
spricht, dann kann das für Ihren Kollegen Rechtfertigung genug sein, dies ebenso zu tun.
Falsch ist "dieseN Jahres" so gesehen nicht.

Wir sollten uns nicht fragen "was ist richtig?", sondern "was ist sinnvoll?".


Soweit meine persönliche Einschätzung dieser Angelegenheit.

/Kurt Krueger (NICHT zu "korrekturen.de" gehörend und ohne Doktortitel)


 

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