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Nachgefragt

psychedelisch versus psychodelisch

Grelle Farben, fließende Formen: Einst bezeichnete man mit psychedelisch die rauschhaften Vorstellungen nach Einnahme bewusstseinsverändernder Drogen, heute verwendet man den Begriff sehr viel allgemeiner auch in der Beschreibung von Kunst oder Musik. Wie aber sieht es mit der Schreibvariante »psychodelisch« aus – ist diese auch korrekt?

Frage:
Es hat mich erstaunt, im Fremdwörterbuch und im Deutschen Universalwörterbuch von Duden (DDUW) den Eintrag »psychodelisch« (sic!) zu finden, jeweils mit Verweis auf den Haupteintrag »psychedelisch«. In meiner – zugegebenermaßen nur oberflächlichen – Internetrecherche habe ich keinen einzigen seriösen Beleg für diese Schreibweise gefunden. Meiner Meinung nach handelt es sich um eine zwar verbreitete, aber fälschliche Kontamination aus »psychedelisch« und Wörtern wie »psychologisch«, also um einen klassischen »beliebten Fehler«, um in der Wortwahl meiner gleichnamigen Rubrik zu bleiben. Gibt es im Dudenkorpus tatsächlich hinreichend ernstzunehmende Belege, dass ein Eintrag von »psychodelisch« gerechtfertigt ist?

Und noch eine kleine Zusatzfrage: Im DDUW wird »psychodelisch« an zweiter Stelle nach »psychedelisch« genannt. Sehe ich es richtig, dass die Erstnennung von »psychedelisch« gleichzeitig als Empfehlung dieser Schreibweise zu verstehen ist?
Julian von Heyl, korrekturen.de

Antwort:
Im Grunde genommen wäre »psychodelisch« die üblichere Form für dieses in den Fünfzigerjahren in Amerika geprägte* Wort gewesen, da das griechische »psyche« in Zusammensetzungen normalerweise zu »psycho-« wird. Das Oxford English Dictionary sagt auch explizit zu »psychedelic«, es sei »irregularly« gebildet, und führt (durch ein oder zwei Belege gestützt) »psychodelic« als Variante an.

Im Dudenkorpus ist »psychodelisch« immerhin noch 60 Mal belegt. Das ist zwar wenig im Vergleich zu den etwa 2600 Nachweisen für »psychedelisch«, aber es sind durchaus respektable Quellen. In der alten Dudenkartei haben wir Exzerpte aus Peter Sloterdijks »Kritik der zynischen Vernunft« (1983) und aus Bernward Vespers »Die Reise« (1978) – die Form ist also auch literarisch nachweisbar.

Eindeutig ist allerdings, dass es sich um eine heute nur selten gebrauchte Nebenform handelt, und das habe ich – dank Ihrer freundlichen Nachfrage – in unserem Datenbestand jetzt mit einer entsprechenden Markierung vermerkt.

Die Reihenfolge des Lemmaansatzes im DDUW sollte in der Tat im Idealfall die aus unserer Sicht zu bevorzugende Form in der ersten Position zeigen.
Dr. Werner Scholze-Stubenrecht, Dudenredaktion

———
* Ergänzende Anmerkung von korrekturen.de:
Der Begriff geht auf den britischen Psychiater Humphry Osmond (1917–2004) zurück, welcher in den 50er Jahren die Wirkungen von LSD und ähnlichen Drogen auf das menschliche Bewusstsein erforschte. Bereits vorher hatte der Psychiater Paul Hoch zur Beschreibung der Wirkung von LSD den Begriff »psychotomimetisch« (= »eine Psychose nachahmend«) geprägt. In einem Briefwechsel mit Aldous Huxley ersetzte Osmond, der sich von LSD eine positive Form der Bewusstseinserweiterung erhoffte, diesen Begriff durch »psychedelisch« (im Original: psychedelic), da seiner Meinung nach »psychotomimetisch« in der Bedeutung zu eng gefasst war. Hierbei wählte er bewusst die Schreibweise mit »psyche-«, da der Wortbestandteil »psycho-« in dem neuen Begriff aus seiner Sicht unangebrachte negative Assoziationen hätte wecken können.

Julian von Heyl am 12.04.11 | Kommentare (2) | Visits: 23853

Rubrik Nachgefragt:

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Kommentare

1  Helmuth Kratzert

Der korrekte Bindevokal im Griechischen nach ψυχ- ist -ο-, also ist psych-o-delisch etymologisch richtiger. Aber die Häufigkeit im Gebrauch bekommt meist recht. Dafür nur ein einziges Beispiel aus der Medizin: Kolono-skopie wäre richtig, gebräuchlich ist die unrichtig verkürzte Form Koloskopie. Is halt so, auch wenns weh tut.

Geschrieben von Helmuth Kratzert am 31.01.20 17:45

2  Werner Zillig

Ich bin ziemlich zufällig hier gelandet, finde die Informationen und Hinweise aber interessant!

Was die Mehrheiten bei den Schreibungen angeht, ist das ja ein weites Feld, vor allem seit die Rechtschreibreform beschlossen hat, die "Volksetymologie" zu berücksichtigen. Was dazu geführt hat, dass "Habseligkeiten" mal zum "schönsten deutschen Wort" gewählt worden ist, begleitet vom Gelächter der Fachwelt.

Aber wie dem auch sei, ich plädiere dafür: Wier (!) / Wer mit Sprachbewusstsein und -reflexion unterwegs ist, schreibt, wie sie / er es für richtig hält. Ggf. mit einer kurzen Begründung in der ersten Fußnote eines Texts.

Geschrieben von Werner Zillig am 17.01.22 12:42

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