korrekturen.de | Korrektorat und Lektorat

>> Und der Standard lautet nun einmal Verwendung des Präteritums in standardsprachlichen
> schriftlichen Texten.

Standard ist etwas anderes als Usus in bestimmten Bereichen.

> Schon in meiner Schulzeit wurde großer Wert darauf gelegt; und im Studium eine
> Seminararbeit im Perfekt zu schreiben, wäre undenkbar gewesen. Ich will damit sagen, dass
> man schon immer das Präteritum für Vergangenes im Schriftlichen benutzte.

Schon immer? Da bist du aber lenge zur Schule gegangen. :-)

In meiner Gymnasialzeit und während meines Studiums wurde über solche Dinge jedenfalls kein Wort verloren. Man ging damals wohl davon aus, dass jeder lesen und schreiben konnte. Etwas später kamen die 1968er und mit ihnen das Laisser-faire. Und noch später stellte man dann fest, dass man den jungen Leuten während der Ausbildung ein paar Regeln geben musste, weil es mit den Fähigkeiten bergab ging. Aber sollten diese Regeln denn mehr sein als eine Führungshilfe für unsichere Kandidaten? Und gelten die wirklich ausnahmslos für alles, was für fremde Leser geschrieben wird? Lehrt man in der Schule nicht nur das Allergröbste? Mit Feinheiten wären viele Schüler ja völlig überfordert, und dazu kommt ja auch noch das Problem Zeitmangel.

> Ein kleines Beispiel zum Abschluss: Ein Unfallbericht bezieht sich auf ein zeitlich nahes
> Geschehen, das sehr oft Auswirkungen auf die Gegenwart hat - also weder abgeschlossen oder
> weit in der Vergangenheit liegend. Aber ein Unfallbericht im Perfekt? Bitte nicht.

Im Gegensatz zu dir habe ich ja nichts Absolutes ("schriftlich = Präteritum", mündlich = Perfekt") verkündet. Ich habe lediglich gesagt, was ich bei dem Satz der Fragestellerin für richtig halte, und warum ich das in diesem Fall tue. Und ich habe gesagt, dass und warum ich die erwähnte Verabsolutierung nicht für richtig halte. Nirgendwo habe ich gesagt, dass Gegenwartsbezug immer das Perfekt fordert.

Bei einem Unfallbericht ist die Distanz des Verfassers zum Geschriebenen ein ganz wesentlicher Punkt. Es soll nur das gesagt werden, was zuvor passiert ist, und zwar ganz objektiv und ohne Gegenwartsbezug. Falls es einen Gegenwartsbezug gibt, soll er mit sprachlichen Mitteln quasi unterdrückt werden. Deshalb schreibt man (dudenkonform!) Unfallberichte seit jeher im Präteritum. Im Satz der Fragestellerin will man den Gegenwartsbezug aber gerade besonders betonen.