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Rezensionen

Wörterbuch der deutschen Umgangssprache

kuepper.jpgDas "Wörterbuch der deutschen Umgangssprache" gehört zu den Klassikern der Lexikographie. In jahrzehntelanger, entsagungsvoller Arbeit hat Heinz Küpper "dem Volke aufs Maul gesehen" und neben zahllosen gedruckten Quellen Zehntausende von Fragebögen ausgewertet. Mit insgesamt 65.000 Stichwörtern, Bedeutungen und Wendungen enthält das Wörterbuch alles, was im weitesten Sinne dem Bereich der modernen Umgangssprache zuzuordnen ist - von der lebendig gebliebenen historischen Wendung bis hin zu aktuellen Wortschöpfungen.

Im Gegensatz etwa zum "Wörterbuch der Szenesprachen" aus dem Dudenverlag, welches sich um eine Aktualität bemüht auf einem Gebiet, wo dies kaum zu schaffen ist, da sich gerade bei Jugendlichen Modewörter fast jährlich ändern können, hat Küpper in sein Wörterbuch sowohl heutige umgangssprachliche Wendungen aufgenommen als auch welche, die nicht mehr oder nur noch bei älteren Semestern in Gebrauch sind. Vieles würde heute sogar eher missverstanden, "fickfacken" etwa heißt ganz harmlos "Unsinn treiben", ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

Und so macht sein Wörterbuch, welches einen Nutzwert wohl eher nur für Sprachforscher und Linguisten aufweist, besonders und gerade da Spaß, wo man sich mit den Worterklärungen in eine alte, längst versunkene Welt begibt, wo noch gelacht wurde, wenn man eine Brille als "Intellektuellen-Prothese" bezeichnete und wo man "kalfaktern" sagte, wenn man zum Zwecke des Klatsches jemanden aushorchen ging.

Ein "Kanarienvögelchenzüngelchensüppchen", so antwortete man wohl einst scherzhaft auf die Frage, was es zu essen gibt, und ein Tanzlokal wurde in den 60er Jahren auch schon, welch ein Brüller, als "Tittenschwungpalast" bezeichnet. Interessant wird es dann wieder bei Bezeichnungen wie "Muckefuck" für dünnen Kaffee oder Malzkaffee, hier scheint Küppers Erklärung etwas weit hergeholt:

Soll in der Gegend der Wupper aufgekommen sein; fußt entweder auf "Mucke = Mulm in hohlen, verfaulenden Baumstümpfen" und auf "fuck = faul" oder ist entstellt aus "Mutt (Mudd) = Moder", wozu "fuck" Reimwort ist. Etwa seit 1870.

Tatsächlich? Zwar ist auch der heutige Duden dieser Meinung, andere Quellen wähnen das Wort aber aus dem französischen "Mocca faut" abgeleitet, also einfach "falscher Kaffee". Eindeutig aus dem Französischen dann wiederum stammt das schöne Wort "tuttmähmschoßegal", mit dem man schon im 18. Jahrhundert ausdrückte, dass einem etwas ziemlich gleichgültig ist, und welches sich eindeutig aus dem französischen Ausdruck "toute la même chose" ableitet.

So kann man herrlich assoziativ seine Sprach- und Kulturstudien treiben, wobei natürlich gerade die elektronische Ausgabe, welche sich der einheitlichen und bewährten Programmoberfläche der "Digitalen Bibliothek" mit zahlreichen Such- und Recherchemöglichkeiten bedient, zur sinnlosen Klickerei einlädt. Davon abgesehen kann dieses opulente Werk oft genau das Lexikon sein, in dem man ein besonders abseitiges Wort wiederfindet, zu welchem allen anderen Nachschlagewerken und selbst Google nichts einfällt.

Zum Beispiel weiß Google bis jetzt (hehe) noch nichts von einem "Zwölfmännertabak". Was das sein soll? Ganz einfach, ein minderwertiger Tabak: Einer raucht und elf fallen um.

Heinz Küpper:
Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
1955 - 1997 / 2000, Digitale Bibliothek, Berlin (Band 36)
CD-ROM, Windows

Julian von Heyl am 02.08.04 | Kommentare (0) | Visits: 10660

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