Nachgefragt
in Richtung dunkler Wald
Folgt auf ein Substantiv ein direkt darauf bezogener Ausdruck, so nennt man diesen eine Apposition. Dass der grammatisch richtige Umgang mit solchen Appositionen mitunter gar nicht so einfach ist, zeigt unsere neueste »Nachgefragt«-Knobelei eindrücklich.
Frage:
Bei Richtungsangaben kann die nähere Bestimmung zu »Richtung« meines Wissens mit Genitiv angehängt werden oder ohne Artikel als Apposition: in Richtung des Waldes oder in Richtung Wald.
Wie verhält es sich aber mit der Flexion, wenn – ohne Artikel – ein Adjektiv hinzutritt? Heißt es richtig: »Wir gehen in Richtung dunkler Wald«; oder: »Wir gehen in Richtung dunklen Wald« – oder gar: »Wir gehen in Richtung dunklem Wald«?
Julian von Heyl, korrekturen.de
Antwort:
Die Dudengrammatik gibt als Grundregel an, dass bei Appositionen mit einem Adjektiv, aber ohne Artikelwort sowohl Kongruenz als auch der Nominativ korrekt sind. In beiden Fällen wird das Adjektiv stark flektiert.
Die Form »Wir gehen in Richtung dunkler Wald« ist danach zunächst einmal richtig, und der Nominativ wird nach den Belegen des Dudenkorpus in vergleichbaren Fällen auch deutlich bevorzugt.
Bei Anwendung der Kongruenzregel (die Apposition zeigt denselben Kasus wie das Bezugswort) muss man erst einmal die Frage beantworten, in welchem Kasus »Richtung« hier steht, denn die Präposition »in« kann je nach Kontext mit Dativ oder mit Akkusativ gebraucht werden. Nach Dudenband 9, »Richtiges und gutes Deutsch«, sollte man unterscheiden, ob der Weg erst noch eingeschlagen wird (Richtungsangabe und daher Akkusativ) oder ob man sich schon auf dem Weg befindet (Ortsangabe und daher Dativ). Demnach wären einerseits »Wir gehen an der nächsten Kreuzung in Richtung dunklen Wald«, andererseits »Wir gehen schon seit einer halben Stunde in Richtung dunklem Wald« korrekt gebildete Sätze. Der Duden hat sich bei dieser Regelung allerdings durch die Formulierung »heißt es gewöhnlich« etwas zurückgenommen, beschreibt also eher, als sich messerscharf festzulegen.
Dr. Werner Scholze-Stubenrecht, Leiter der Dudenredaktion
Julian von Heyl am 29.05.14 | Kommentare (5) | Visits: 26714
Rubrik Nachgefragt: Auch die Fachliteratur hilft nicht mehr weiter? Wir haben nachgefragt und kompetente Antwort erhalten: Die Dudenredaktion klärt für uns grammatische und orthografische Zweifelsfälle der deutschen Sprache. Unser Tipp: Schnelle Telefonauskunft erhalten Sie bei der Duden-Sprachberatung. |
Kommentare
1 Anne
Vielen Dank für die Ausführungen, Herr Scholze-Stubenrecht!
Ich habe nur eine Frage: Könnte man hier nicht auch den Genitiv nehmen ("in Richtung des dunklen Waldes")?
Ganz abwegig scheint mir die Wahl des Genitivs nicht zu sein, denn in der Online-Ausgabe des Dudens steht unter "Richtung" Folgendes: "in Richtung […] des Dorfes" (Stand: 18. Juni 2019).
Viele Grüsse, schönen Tag!
Geschrieben von Anne am 18.06.19 11:44
2 Julian von Heyl
Selbstverständlich ist auch »in Richtung des dunklen Waldes« korrekt, es entspricht allerdings nicht der Fragestellung, bei der es um die korrekte Form ohne »des« ging.
Geschrieben von Julian von Heyl am 18.06.19 12:57
3 Dr. Christian Felix
"in Richtung des dunklen Waldes" ist im Allgemeinen nicht korrekt, denn der Wald selbst dürfte in den seltensten Fällen eine Richtung besitzen. Anders als etwa bei der Formulierung "in Richtung des Pfeiles", hier ist nicht der Pfeil das Ziel, sondern gibt die Richtung vor.
Geschrieben von Dr. Christian Felix am 02.07.21 10:44
4 De. Brad Williams
Und wie wäre es hier zunächst?
In Richtung des hohen Doms? oder
In Richtung dem hohen Dom? oder,
In Richtung den hohen Dom?
Geschrieben von De. Brad Williams am 04.01.22 14:10
5 Gräf Elisabeth
Vielen Dank für die gute und konkrete Frage und das Teilen der hilfreichen Ausführungen.
Geschrieben von Gräf Elisabeth am 03.06.22 20:01
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