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Hätten Sie aber können oder hätten Sie aber gekonnt?

haetten_sie_aber_koennen.jpgEin älteres Ehepaar verbringt ein Wochenende in einem Hotel auf dem Land. Beim Auschecken präsentiert die Dame von der Rezeption die Rechnung. Die beiden Gäste sind verwundert über den recht hohen Preis und fragen, wie dieser zustande kommt.

Die Rezeptionistin erklärt, dass der Preis des Hotels über dem anderer in der Gegend liege, weil den Gästen ein großer Wellness- und Fitnessbereich zur Verfügung steht. Das Ehepaar reklamiert, dass es dieses Angebot ja gar nicht genutzt habe. Die Rezeptionistin erwidert: »Hätten Sie aber können!«

Hätten Sie aber können! Hätten Sie aber gekonnt! Ja was denn nun?

Die Dame an der Rezeption könnte gemeint haben, dass das Ehepaar die genannten Einrichtungen hätte nutzen können – und der höhere Preis des Hotels völlig unabhängig von einer tatsächlichen Inanspruchnahme ist. Anders: Das Ehepaar hätte jederzeit die Möglichkeit bzw. Erlaubnis gehabt, das Angebot wahrzunehmen.

Können – das Vollverb

Können im Sinne von »beherrschen, fähig zu etwas sein« oder auch in der Bedeutung »die Möglichkeit, Erlaubnis haben, etwas zu tun« ist ein Vollverb. Wenn die Rezeptionistin also meinte, dass das Ehepaar jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, die Einrichtungen zu nutzen, dann müsste hier im Konjunktiv II »können« als Partizip II (Partizip Perfekt) stehen: »Hätten Sie aber gekonnt.«

Können – das Modalverb

Wenn dagegen das Modalverb »können« verwendet wird, dann steht nicht das Partizip II, sondern der Infinitiv, wenn ein reiner Infinitiv vorausgeht. Sprich: Hier fehlt das Verb, das durch das Modalverb »können« modifiziert werden soll. Richtig wäre etwa: »Das hätten Sie aber machen können.«

Eine Ellipse?

Gilt etwas anderes, wenn man von einer Ellipse ausgeht? »Sie haben die Wellnesseinrichtung nie genutzt, hätten sie aber (nutzen) können.« Nein, denn hier handelt es sich nicht einmal um die übereinstimmende Verbform von »können« und somit kann das zu modifizierende Verb im zweiten Teilsatz nicht weggelassen werden.

Das hätte die Rezeptionistin aber wissen können!

Ruwen Schwerin am 16.12.10 | Kommentare (3) | Visits: 36187

Rubrik Sprach|fehler:

Jeder macht Fehler – wer schreibt, macht Rechtschreibfehler. Meist kein Beinbruch, oft aber bemerkenswert, lehrreich oder einfach lustig. Wer sucht, der findet ...

Kommentare

1  Linguistikstudent

Meiner Meinung nach kann es trotzdem eine Ellipse sein können (nicht gekonnt ;) ), wenn man davon ausgeht, dass das Gespräch so ablief:

Ehepaar: „Wir haben das Angebot aber gar nicht genutzt.“
Rezeptionistin: „(Das Angebot) hätten Sie aber (nutzen) können!“

Der Einwand, wieso die Ellipse nicht funktioniert, ist ja überhaupt nicht stichhaltig, da der Teil nach dem Komma ja in Verberststellung steht und somit andere Ansprüche an die Flexion richtet.

Also wäre die Äußerung der Rezeptionistin nur ein schönes Beispiel für die menschliche Sprachökonomie und richtiges Mitdenken, oder täusche ich mich hierbei völlig? ;)

Geschrieben von Linguistikstudent am January 17, 2011 1:33 AM

2  Ruwen Schwerin

„Der Einwand, wieso die Ellipse nicht funktioniert, ist ja überhaupt nicht stichhaltig, da der Teil nach dem Komma ja in Verberststellung steht und somit andere Ansprüche an die Flexion richtet."

Doch, grundsätzlich ist eine andere Konjugation eher ein Argument für das Nichtweglassen, denn wenn Verben sich im Numerus oder in der Person unterscheiden, vermeidet man eine Ellipse in vielen Fällen: Um 10 Uhr öffnet das Dampfbad, die beliebten Saunas täglich schon um 9 Uhr. Täglich wird der Ofen der Saunas überprüft und die Holzbänke geölt. Die Relevanz der Verberststellung in diesem Zusammenhang kann ich gar nicht erkennen?

Teilweise ist das Weglassen trotzdem gebräuchlich (Konjugation dann gemäß dem Subjekt, das dem Verb am nächsten steht): Ich gehe in die Sauna und ihr in das Dampfbad. Oft, stelle ich gefühlsmäßig mal so in den Raum, gilt das bei Satzkonstruktionen mit Personalpronomen oder Personennamen und wenn im Satzgefüge ansonsten nicht zusätzlich auch andere Satzbestandteile ausgelassen werden müssten: Heute werden die Saunen gereinigt und (es wird) Ordnung gemacht.

“Ehepaar: „Wir haben das Angebot aber gar nicht genutzt.“ Rezeptionistin: „(Das Angebot) hätten Sie aber (nutzen) können!“

Ja, es finden sich sogar zwei Ellipsen. In meinem Beispiel kann das sie aber auch für „die Einrichtung“ stehen:

„Sie haben die Wellnesseinrichtung nie genutzt, (Sie) hätten sie [die Einrichtung] aber (nutzen) können.“

Ist aber nicht relevant für die Beurteilung, ob man hier eine Ellipse verwenden kann oder eher nicht.

haben genutzt / hätten nutzen können

In Deinem Beispiel steht haben genutzt (Perfekt, nutzen steht als Partizip II) der Konstruktion hätten nutzen können gegenüber (Konjunktiv II der Vergangenheit mit dem Modalverb können am Satzende: hätten + Infinitiv von nutzen + Modalverb können im Infinitiv – auch Ersatzinfinitiv genannt, denn der Infinitiv ist hier ein Merkmal der Modalverben, ansonsten steht bei zusammengesetzten Verbformen (analytischen Verbformen) nämlich das Partizip II) .

Hier nutzen wegzulassen, halte ich deshalb für falsch, weil es in einer anderen Zeitform steht (nutzen können ist eine feste Verbindung des mit einem Modalverb gebildeten Konjunktivs II). Nutzen können ist hier sozusagen das mehrteilige Prädikat (statt beispielsweise: hätten sie aber gekonnt) und sollte nicht einfach getrennt werden.

Zusammenfassend: Eine Ellipse würde ich vermeiden, weil im ersten Teil des Satzgefüges nutzen in einer völlig anderen Konstruktion steht – kaum ein geeigneter Bezug, um in einer anderen einen wesentlichen Bestandteil auszusparen (nur weil das gleiche Verb im Satz vorher irgendwie schon mal vorkam).

Ganz unabhängig davon stellt sich die Frage, ob Modalverben überhaupt in Form einer Ellipse weggelassen werden können:

Ich möchte kuscheln! Aber auch küssen?

Keine Unterscheidung in Numerus und Person, hier spricht meiner Ansicht nach nichts gegen das Weglassen des Modalverbs.

Ich kann laufen, aber die anderen Teilnehmer rennen.

Hier steht das Modalverb in einem anderen Numerus und einer anderen Person. Hier würde ich es nicht weglassen bzw. dessen Weglassen als falsch bezeichnen – das Weglassen kann hier auch besonders leicht zu einem anderen Satzverständnis führen: Ich möchte nach Hause gehen, alle anderen Teilnehmer (möchten) bleiben.

Etwas anderes könnte man vielleicht für die lockere Umgangssprache, gerade in Bezug auf Dein Beispiel, gelten lassen. Wobei ich auch da aus den genannten Gründen auf eine Ellipse verzichten würde. Hört sich einfach falsch an.

“Also wäre die Äußerung der Rezeptionistin nur ein schönes Beispiel für die menschliche Sprachökonomie und richtiges Mitdenken, oder täusche ich mich hierbei völlig? ;)„

Vielleicht meint der ökonomisch Sprechende dann ja aber auch einfach „gekonnt“, um abschließend zum Thema des Beitrags zurückzukehren. Dieser Verdacht drängt sich zumindest auf, wenn jemand in einer solchen Konstruktion vermeintlich eine Ellipse verwendet. ;-)

Viele Grüße
Ruwen

Geschrieben von Ruwen Schwerin am January 21, 2011 10:56 AM

3  I.Lewi

also das mit dem "gekonnt" halte ich für völlig daneben.
Es ist doch so: selbst wenn das Ehepaar die Einrichtungen hätte nutzen können, weil das Hotel diese zur Verfügung stellt, heißt das noch lange nicht, dass das Ehepaar das (die Nutzung wahrnehmen) auch "gekonnt" hätte - denn möglicherweise hätten sie aus irgendwelchen (gesundheitlichen oder anderen ) Gründen ja auch "nicht gekonnt". Nur in diesem Fall wäre das Wort "gekonnt" anzuwenden. Die Rezeptionistin hätte also allenfalls die Frage stellen können (vorausgesetzt, das Ehepaar hatte gar nicht gewusst, dass es diese Einrichtungen hätte nutzen können), z.B. "hätten Sie das (die Nutzung der Einrichtungen) denn gekonnt?" (oder wären Sie möglicherweise zu gebrechlich gewesen oder anderes?)

Geschrieben von I.Lewi am October 15, 2017 3:05 AM

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