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Das Schwarze Brett: Substantivische Wortgruppen und feste Begriffe

das_schwarze_brett.jpgGestern habe ich einen Artikel zum Thema substantivische Zusammensetzungen veröffentlicht – heute kam mir in den Sinn, dass man das Thema substantivische Wortgruppen bzw. feste Begriffe in diesem Zusammenhang auch ansprechen sollte; das hole ich hier einfach nach.

Substantivische Zusammensetzungen und mehrteilige Substantivierungen müssen zusammen- oder mit Bindestrich geschrieben werden. Solche Zusammensetzungen mit Wortzwischenräumen zu schreiben, also als lose Fügungen bzw. Wortgruppen, widerspricht den grundlegenden Regeln der deutschen Sprache und verursacht empfindliche Schmerzen bei vielen Zeitgenossen. Es gibt aber eine Ausnahme, bei der ähnlich aussehende Konstellationen auch tatsächlich richtig sind: bei sogenannten substantivischen Wortgruppen.

Es handelt sich hierbei gerade nicht um Zusammensetzungen, sondern um Fügungen bzw. Verbindungen, bei denen der erste Bestandteil (fakultativ oder obligatorisch) großgeschrieben wird, obwohl dies von der Wortart her (Adjektiv) eigentlich nicht so sein dürfte. Das wohl bekannteste Beispiel ist das Schwarze Brett.

Hierbei handelt es sich um ein Anschlagbrett oder eine Anschlagtafel, auf der Aushänge veröffentlich werden können; für bestimmte Personen meist unkompliziert ohne Genehmigung. Man findet solche Schwarzen Bretter in Supermärkten, Universitäten und an vielen anderen Orten.

Das Adjektiv schwarz müsste eigentlich kleingeschrieben werden – in der genannten Bedeutung kann man aber auch »Schwarzes Brett« schreiben. Weshalb?

Folgende Regeln gelten:

1. Feste Verbindungen mit neuer (idiomatischer) Gesamtbedeutung

Wenn es sich um Wendungen handelt, deren Bedeutung sich gerade nicht aus der Bedeutung der Einzelwörter erschließt, dann kann man auch den ersten Bestandteil großschreiben. Das ist allerdings fakultativ, d. h. man kann den ersten Teil der Wendung, das Adjektiv, auch gemäß den grundsätzlichen Regeln kleinschreiben. Ob bei solchen Begriffen aus Adjektiv und Substantiv beide Bestandteile groß- (substantivische Wortgruppe) oder kleingeschrieben (fester Begriff) werden und man sie somit als substantivische Wortgruppe begreifen kann, bestimmen in der Regel der Schreibgebrauch und die Gesamtbedeutung.

Beispiele:

die Schwarze Liste, der Letzte Wille, der Weiße Tod, der Schwarze Tod, Schwarzer Peter (Kartenspiel), jemandem den Schwarzen Peter zuspielen (jdm. die Schuld geben)

oder

die schwarze Liste, der letzte Wille, der weiße Tod, der schwarze Tod, schwarzer Peter (Kartenspiel), jemandem den schwarzen Peter zuspielen (jdm. die Schuld geben)

Durch die Schreibung kann man besonders hervorheben, dass man den Begriff mit einer neuen Gesamtbedeutung verwenden möchte oder gerade nicht. Bei manchen Begriffen können dadurch deutlich unterschiedliche Bedeutungen gekennzeichnet werden: der letzte Wille (der letzte Wunsch eines Menschen) oder der Letzte Wille (das Testament eines Menschen). Insbesondere bei Farbbezeichnungen tritt die neue (idiomatische) Bedeutung besonders hervor, weil zum Beispiel ein Schwarzes Brett nicht unbedingt schwarz sein muss.

2. Fachsprachliche Verbindungen

Bei bestimmten Wortgruppen mit oft fachsprachlicher Herkunft ist ebenfalls die Großschreibung des ersten Bestandteils möglich, in diesem Fall oft sogar üblicher als die Kleinschreibung.

Beispiele:

die Gelbe Karte, die Rote Karte, die Erste Hilfe, der Goldene Schnitt, die Kleine Anfrage, die Große Anfrage, das Schwarze Loch

oder (meist seltener)

die gelbe Karte, die rote Karte, die erste Hilfe, der goldene Schnitt, die kleine Anfrage, die große Anfrage, das schwarze Loch

3. Besondere Bezeichnungen

Zwingend großgeschrieben werden alle Bestandteile von Titeln, Ehren- und Amtsbezeichnungen, besonderen Kalendertagen und Bezeichnungen von Arten, Unterarten und Rassen in Botanik und Zoologie.

Beispiele: die Königlichen Hoheiten, der Heilige Vater, der Regierende Bürgermeister (Amtsbezeichnung), der Erste Vorsitzende, der Erste Geiger, Seine Heiligkeit, der Heilige Abend, am Weißen Sonntag, das Fleißige Lieschen, das Kletternde Löwenmaul

4. Zweifelsfälle und Wortgruppen mit zwingender Adjektivkleinschreibung

Ob die Großschreibung beider Bestandteile solcher Fügungen möglich ist, kann in manchen Fällen nicht eindeutig bestimmt werden. In manchen Fällen, in denen man eine andersartige Gesamtbedeutung vermuten könnte, ist sie sogar falsch. Folgende Anhaltspunkte hat man:

  • Sprachgebrauch
  • Eigenbedeutung des Adjektivs in der Wortgruppe
  • Idiomatisierte Gesamtbedeutung

4.1 Keine Adjektivgroßschreibung

Für viele Begriffe gilt die Adjektivgroßschreibung als falsch. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Adjektiv noch seine (volle) Eigenbedeutung besitzt und sich die Bedeutung direkt aus beiden Bestandteilen ergibt.

Beispiele: italienischer Salat, künstliche Intelligenz, das neue Jahr, die mittlere Reife, der olympische Gedanke, die erneuerbaren Energien

Richtig also auch: frohes neues Jahr!

Aber: frohes Neues!

Falsch: frohes Neues Jahr!

4.2 Zweifelsfälle oder Wortgruppen ohne entsprechenden lexikalischen Eintrag

Das schwarze Schaf: Ein andersartiger Mensch, der sich von der Norm abhebt oder einfach anders ist als die anderen einer Gruppe. Zwar ist die gemeinte Person nicht im wörtlichen Sinne schwarz – aber ein Schaf ist in der Regel weiß. Man könnte hier einen Grenzfall erkennen – aber das Adjektiv schwarz hat hier noch eine starke, wenn auch übertragene Eigenbedeutung (ein »anderes« Schaf), die hinter der idiomatischen Bedeutung des Substantivs (ein vergleichbarer Teil einer größeren Gruppe wird als Schaf bezeichnet) zurücktritt. Man möchte gerade betonen, dass jemand anders (schwarz) als ein normaler Vertreter einer Gruppe (Schaf) ist. Das Adjektiv hat hier somit nicht mehr die eigentliche, aber eine trotzdem stark adjektivische Bedeutung. In diesem Fall ist die Schreibung »das Schwarze Schaf« also nicht richtig.

Die »schwarze Liste« etwa ist im Duden ausschließlich mit kleingeschriebenem Adjektiv verzeichnet und nicht bei den Ausnahmen für substantivische Wortgruppen aufgeführt (wie z. B. das »Schwarze Brett«). Dabei handelt es sich bei einer »schwarzen Liste« schlicht um eine sogenannte Negativliste (oft auch englisch: blacklist), in der Personen oder Dinge aufgelistet sind, die eine andere Bewertung bzw. Behandlung erfahren sollen (auch: Index). Diese Andersbehandlung erlangt gerade im Internet in Form einer technischen Einschränkung Bedeutung – etwa können bestimmte User auf Websites anhand ihrer Daten ausgesperrt werden. Es liegt also eine neue idiomatische Gesamtbedeutung vor, das Adjektiv schwarz steht nicht mehr in seiner ursprünglichen Bedeutung. Auch hier ist also neben der Schreibung »schwarze Liste« die Adjektivgroßschreibung (»Schwarze Liste«) möglich und so im Sprachgebrauch (siehe etwa Wikipedia) außerhalb des Dudens bereits üblich.

Ruwen Schwerin am 12.12.10 | Kommentare (0) | Visits: 31376

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