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Kurz erklärt

abergläubig oder abergläubisch?

Auch rationale Menschen, die jede Form des Aberglaubens weit von sich weisen, vermeiden es mitunter, wichtige Termine auf einen Freitag, den 13., zu legen. Doch ist man dann abergläubig oder abergläubisch?

Adjektive, die sowohl auf -ig als auch auf -isch gebildet werden, lassen sich praktisch an einer Hand abzählen. Hierbei ist aber – unabhängig von Rechtschreibreform und neuer Rechtschreibung – seit langem eine starke Tendenz zu den Formen auf -isch zu beobachten, so dass die Antwort auf die Frage lautet: Richtig ist abergläubisch, die Form »abergläubig« gilt hingegen als veraltet.

Weitere Adjektive, bei denen die Form auf -isch heute klar bevorzugt wird, sind aufständisch (veraltet: »aufständig«) und gespenstisch (veraltet: »gespenstig«).

Darüber hinaus gibt es einige Adjektive, bei denen sich die Formen auf -isch und auf -ig auseinanderentwickelt und sich in ihrer Bedeutung differenziert haben:

  • launig: humorvoll, witzig, gut gelaunt
  • launisch: in der Laune unberechenbar, oft mürrisch
  • rassig: temperamentvoll, feurig
  • rassisch: auf eine Rasse bezogen, eine Rasse betreffend
  • ständig: immer (wieder), andauernd
  • ständisch: auf einen (Berufs-)Stand bezogen

Mitunter haben sich auch noch spezielle fachsprachliche Bedeutungen abgekoppelt, so gibt es neben mittelständisch in der Bedeutung »den Mittelstand betreffend« auch »mittelständig« als botanischen Begriff – man unterscheidet dort nach ihrer Lage im Blütenboden oberständige, mittelständige und unterständige Fruchtknoten. Und während wir etwas, was manuell, von Hand, gemacht wird, als händisch bezeichnen, kommt »händig« nur in der Wissenschaft vor (spiegelbildliche Anordnung bei Molekülen) oder in vereinzelten Zusammensetzungen wie »vierhändig« (beim Klavierspiel), »freihändig« oder »eigenhändig«.

Julian von Heyl am 20.07.13 | Kommentare (8) | Visits: 7092

Rubrik Kurz erklärt:

Die deutsche Sprache ist gespickt mit Fallstricken. Hier gehen wir auf ausgewählte Problemfälle ein und liefern kurze Erklärungen und Definitionen zu Schreibweise, Grammatik und praktischer Anwendung.

Kommentare

1  Christopher

Zitat : "Darüber hinaus gibt ... und sich in ihrer Bedeutung differiert haben:" - meint wahrscheinlich :
"und sich in ihrer Bedeutung (aus-)differenziert haben" oder "in ihrer Bedeutung differieren" ?

Es ist schon erstaunlich, was für grundlegend andere (und verschiedene / unterschiedliche) Bedeutungen manche Wörter in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt haben und welche Wortspiele teilweise möglich sind. Wenn man oben sagt "und sich in ihrer Bedeutung differenziert haben", meint man, wie unterschiedlich sie in ihrer Bedeutung geworden sind. Sagt man aber "und sich in ihrer Bedeutung ausdifferenziert haben", meint man, wie stark der Grad dieser Differenzierung schon vorangeschritten ist (man könnte hier auch von "Diversifizierung" (nicht aber von Diversifikation")) sprechen. Dagegen wäre es "doppelt gemoppelt", "auseinanderdifferenzieren" zu sagen, denn "auseinander" ist begrifflich in "differenzieren" schon enthalten. Wiederum würde zum Beispiel "in ihrer Bedeutung diffundierten" zwar ganz ähnlich klingen, aber genau das Gegenteil meinen, nämlich miteinander verschmelzen im Sinne von bereits annähernder begrifflicher Deckungsgleichheit...

Daß der Duden inzwischen fast alles zuläßt, was Beliebigkeit (und Bequemlichkeit) sich wünschen, hat entgegen meinen anfänglichen Befürchtungen nicht zum Sprachchaos geführt - manches läßt sich sogar nun noch präziser ausdrücken und beschreiben.

Es sollte aber schon wieder Einigkeit bei der Verwendung der Artikel hergestellt werden. Daß beispielsweise der Joghurt inzwischen ganz legal drei Geschlechter haben kann (der, die, das Joghurt) ist nicht nur unnötig, sondern auch verwirrend für jeden, der diese Sprache lernen möchte. Sie ist eh schon überladen mit Ausnahmen, und ich bewundere immer wieder jeden Ausländer, der diese Sprache auch nur ansatzweise zu beherrschen lernt. "Weniger ist mehr" könnte ein Leitsatz sein. So vieles ist in dieser Sprache schon doppelt, drei- oder mehrfach belegt.

Geschrieben von Christopher am 18.11.14 11:53

2  Julian von Heyl

@Christopher:
Danke für deinen Hinweis; ich habe im Artikel "differiert" durch "differenziert" ersetzt.

Geschrieben von Julian von Heyl am 18.11.14 13:06

3  Jutta

@Christopher:

Deine "differenzierte" und reflektierte Sprachbeherrschung - die ich im Internet bei vielen Kommentatoren vermisse - macht mich neugierig: Hast Du beruflich mit Sprache zu tun? Wenn ja, inwiefern? Würde mich über eine Antwort freuen.
Gruß, Jutta

Geschrieben von Jutta am 02.09.15 01:41

4  Marco M.

Hach, es immer wieder schön, auf meiner liebsten Deutschseite eine handfeste Antwort zu finden.

So fragte ich mich eben in einer E-Mail, ob es abergläubig oder abergläubisch laute. Als Main-Frankfurter glaubte ich, das -isch rühre aus unserem Dialekt her, weshalb es abergläubig heißen müsse.

Wer den Komiker Martin Schneider und dessen Aussprache beim Aaaaschebäääscher-Sketch kennt, der weiß, was ich meine.

Also uff guud Frankfodderisch gesacht: Ei, isch danke Eusch dadefür, dass isch jetzt aach weiß, wie mer des mit -isch und -ig rischtisch schreibe tut. ;o)

Geschrieben von Marco M. am 30.05.18 17:20

5  Detlef Stüwe

Irgendwie bekomme ich bei abergläubisch Magengrimmen.
Was halten wir denn von der Abergläubischkeit?

Geschrieben von Detlef Stüwe am 20.07.18 21:37

6  Pavel

Also ist der Christ nun gläubisch? :P

Geschrieben von Pavel am 21.07.19 15:05

7  Freya

Hallo. Kurze Nachfrage zum selben Thema bzw. zur selben Problematik: Ich korrigiere eben einen Aufsatz, in dem eine Schülerin "gläubisch" schreibt. Was für ein Korrekturzeichen gehört da nun aber hin? R? Gr? A? Weiß das vielleicht jemand?
Vielen lieben Dank.

Geschrieben von Freya am 17.11.19 15:35

8  Julian von Heyl

@Freya
Da kann ein R für Rechtschreibung hin, da beim Grundwort nur "gläubig" als korrekte Rechtschreibung gilt.

Geschrieben von Julian von Heyl am 17.11.19 16:19

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