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Kurz erklärt

Der Gast, die Gästin

Im neuen Duden gesellt sich zum Vorstand – im Sinne von Vorstandsmitglied – nun auch die Vorständin, und auch der Gast ist nicht länger allein: Ihm wurde die Gästin zur Seite gestellt. Rein lexikalisch handelt es sich bei ihr um eine alte Bekannte.

Mangelnde politische Korrektheit muss sich der Duden nicht vorwerfen lassen, insbesondere führt er dort, wo es möglich ist, seit einigen Jahren brav die weibliche Form mit auf, und zwar auch dann, wenn diese doch eher selten sein sollte: Die Zuhälterin kennt der Duden genauso wie die Gladiatorin. Beim Neueintrag »Gästin« findet sich allerdings direkt der Zusatz »selten«, und im Synonymwörterbuch wird unter »Gast« der folgende Sprachtipp gegeben:

Die männliche Form der Gast wird gewöhnlich auf beide Geschlechter bezogen. Die weibliche Form die Gästin ist dagegen selten.
© Duden – Das Synonymwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim 2010

Die Wikipedia führt »die Gästin« sogar als Beispiel für eine Hyperkorrektur – hält die Form also für eine bewusste Übergeneralisierung und somit für standardsprachlich falsch. Man tut der »Gästin« aber Unrecht, sie auf eine Stufe mit Albernheiten wie der »Salzstreuerin« zu stellen. Denn tatsächlich ist die weibliche Form von Gast weder abwegig noch ist sie neu. Das Wort »Gast« ist bereits im Althochdeutschen verbürgt, hatte aber zunächst eher die negative Konnotation »Fremdling; Feind«. Erst im ausgehenden Mittelalter etablierte sich die heutige Bedeutung des »willkommenen Besuchs«.

Und wem begegnen wir im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm? Richtig, der Gästin, zu der es – auch in der Schreibweise Gestin und in der Bedeutung »Fremde« – reichlich Belege gibt. So hieß es etwa in einer alten Verfügung: »das kein burger oder burgerin, gast oder gestin in diser stat Nuremberg .. peteln sol« (= dass kein Bürger oder Bürgerin, Gast oder Gästin in dieser Stadt Nürnberg betteln soll).

Die weibliche Form »Gästin« kann dort, wo tatsächlich nur oder überwiegend Frauen gemeint sind, durchaus ihre Berechtigung haben. Hingegen ist es nicht üblich und würde auch übertrieben wirken, in Analogie zu Doppelformen wie »Besucher und Besucherinnen« nunmehr auch eine Doppelform »Gäste und Gästinnen« zu bilden.

Julian von Heyl am 02.08.13 | Kommentare (12) | Visits: 11081

Rubrik Kurz erklärt:

Die deutsche Sprache ist gespickt mit Fallstricken. Hier gehen wir auf ausgewählte Problemfälle ein und liefern kurze Erklärungen und Definitionen zu Schreibweise, Grammatik und praktischer Anwendung.

Kommentare

1  Rainer Seckinger

Auch wenn hier geschrieben wird, dass das Wort Gästin ein altes sei; warum sollte es wieder in den Sprachgebrauch kommen:
- wenn niemand es braucht
- wenn der Duden andere alte Worte als "veraltete und nicht mehr im Sprachgebrauch" beschreibt.
Darüberhinaus ist diese ganze Diskussion fehlgeleitet:
Wir sollten verstehen, dass das grammatikalische Geschlecht mit dem natürlichen nichts zu tun hat.
Der Gast nicht dementsprechend nicht eine Mann, sondern ein Gast, m oder w. Dies gilt für andere "neumodische" weibliche Formen ebenso. Die "Vorständin" ist eine sinnlose Schöpfung, denn niemand redet das weibliche Mitglied eines Vorstandes mit Herr/Frau Vorstand/Vorständin an.
Da in der deutschen Sprache der Unterschied zwischen grammatikalischem und natürlichem Geschlecht sehr oft zutage tritt, sollten wir von diesem verweiblichenden Blödsinn lassen. Oder alles umstellen: das Garage, das Computer, das CD, die Mädchen, ...

Geschrieben von Rainer Seckinger am 05.09.13 21:07

2  hadigali

Die Sprache ist keineswegs etwas starres, im gegenteil. Mit der Zeit verändert es sich und passt sich dementsprechend an, was logisch, vielmehr aber zum Glück passiert.

Diese ganzen "gender" Themen nerven langsam. Warum macht man sich denn die Sprache noch schwieriger. Bei Tieren macht das ja Sinn ("Hund" "Hündin", "Löwe" "Löwin").

Einige Sachen sind nun einmal eingebürgert. Für mich ist der Gast sowohl Mann als auch Frau, basta! Das grammatikalische Geschlecht ist für mich eher eine Hilfe als geschlechtsspezifisch. Es hilft mir, richtig zu flektieren. Für mich ist "der Ball" auch kein Mann, oder sollte ich bei der Farbe Pink doch Lieber "die Bällin" sagen O.o

Geschrieben von hadigali am 07.02.14 01:11

3  Heinz Mattmüller

Wenn neuerdings strikte zwischen männlich und weiblich unterschieden werden soll, dann funktioniert das aus grammatikalischen Gründen schon ansatzweise nicht. Das weiblichste das es gibt ist kurioserweise grammatikalisch nicht weiblich, sondern sächlich; das Weib. Das sächlichste aller Sachen ist hingegen grammatikalisch nicht sächlich, sondern weiblich; die Sache. Das Weib ist also sächlich und die Sache ist weiblich. Manchmal fühlen sich Sprecher dazu genötigt, unüberlegt von Mitgliederinnen und Mitgliedern zu reden, obwohl diese, ob Mann oder Frau, grammatikalisch sächlich sind. Andererseits ist die Person grammatikalisch weiblich, und trotzdem würde es keinem Mann einfallen zu verlangen, dass man ihn als „der Personer“ bezeichnet. Genau so falsch und überspitzt sind Bezeichnungen wie die Menschin, die Gästin oder die Beamtin, auch wenn letzteres sogar im Duden steht.

Geschrieben von Heinz Mattmüller am 23.07.14 09:46

4  Sebastian Wiemann

Ich halte es auch für Opportunismus, wenn der Duden dieses Wort jetzt mit aufnimmt. Ich habe es bisher nur bei feministisch indoktrinierten Studentinnen gelesen. Sprache ist nun mal Konvention. Genau deshalb werden auch die zahlreichen Versuche, sprachfeministische Kunstformen zu etablieren, scheitern. Sie sind ja schon gescheitert, niemand spricht so, aber man hält sich eben für progressiv.

Geschrieben von Sebastian Wiemann am 28.07.15 21:45

5  Ruben

Meines Erachtens hätte es schon einen Mehrwert für die Sprache, wenn diese für alle Substantive, die etwas beschreiben, was ein Geschlecht hat auch zwei grammatikalische Formen bereit hielte. Dann könnte man in einem Satz gleich die Information mit in das Wort legen.

Es ist schneller zu sagen: "Unsere Gästin ist da!" als "Unser weiblicher Gast ist da!" oder nach Ausflüchten suchen zu müssen, wie: "unsere Besucherin ist da!".

Bei Worten, die nicht auf "-er" enden wäre es sinnvoll einfach beide Artikel zuzulassen, z.B. "die Person" und "der Person".

Bei Menschen und Tieren macht dies durchaus Sinn. Natürlich machte es keinen Sinn Genderworte für Dinge zu schöpfen, wie "die Bällin".

Worte wie das Mädchen, die auf "-chen" enden haben eine berechtigte Sonderstellung als versächlichte Substantive und sind deshalb neutral

Geschrieben von Ruben am 03.08.16 10:09

6  Peter Müller

Sehr geehrte Damen und Herren an ihren Lautsprecherinnen und Lautsprechern (Ironie Ende) Es ist einfach traurig, was man aus unserer deutschen Sprache macht. In keiner Sprache wird so ein Mumpitz mit der Genderspezifizierung betrieben. Ein Klempner ist z. B. ein Plummer, egal ob männlich oder weiblich. Was ist der Unterschied zwischen einer Klempnerinnenlehre und einer Klempnerlehre? Wenn Frauen so etwas brauchen, ist es mit ihrem Selbstwertgefühl nicht weit her.

Geschrieben von Peter Müller am 08.03.18 22:52

7  Freija Sonnenschein

Was so ein "kleines Wort" doch auslöst. Die es verwenden wollen, tun dies gerne und die anderen dürfen sich daran gewöhnen, es wieder des Öfteren zu hören... Wie so oft sitzt das Problem damit dann eher zwischen den Ohren.
Schönes Leben noch :-)

Geschrieben von Freija Sonnenschein am 03.10.18 21:07

8  Christin Voigt

Interessant, dass sich überwiegend männliche Kommentatoren darüber beschweren, dass die weibliche Bevölkerung einen geschlechtssensiblen Umgang mit Sprache wünscht :D
Keineswegs ist es so, dass das Wort Gästin von niemandem gebraucht würde. Der Duden ist lediglich ein kommerzielles Nachschlagewerk für die aktuelle deutsche Rechtschreibung und nur weil die Herausgeber einen Begriff als veraltet bezeichnen heißt dies noch lange nicht, dass er obsolet ist, ihn niemand mehr nutzt oder begreift. Hanebüchener Unsinn!
Ich finde es sehr erfreulich, dass sich immer mehr Menschen um einen sensiblen Sprachgebrauch bemühen. Denn wenn stets nur von dem Gast, dem Lehrer, dem Vorstand, dem Forscher die Rede ist, bleibt die männliche Konnotation der Bezeichnungen in den Köpfen der Menschen bestehen. Warum nicht einfach anerkennen, dass all diese Rollen heutzutage ebenso von Frauen ausgefüllt werden, und diese Erkenntnis auch sprachlich sichtbar machen? Es geht hier nicht nur um das grammatikalische Geschlecht, sondern um die Beseitigung der nach über 100 Jahren weiblicher Emanzipationsgeschichte nach wie vor bestehenden geschlechtsspezifischen Ungleichbehandlungen.
Überspitzt könnte man sagen, dass wer meint, diese Entwicklung der Sprache sei unnatürlich und überzogen, vielleicht auch glaubt, man könne Menschen mit Behinderungen weiterhin als Krüppel oder Idioten bezeichnen.

Mit besten Grüßen

Geschrieben von Christin Voigt am 24.05.19 16:19

9  mayhoth

Liebe Frau Voigt, bitte vereinnahmen Sie nicht die "weibliche Bevölkerung" für Ihre Meinungen! Ich kenne eine ganze Menge starke und eigenständige Frauen, denen dieser sprachwidrige Unsinn ebenso auf den Geist geht und an den Nerven zehrt wie mir. Das Problem ist doch nicht, dass jemand glaubt, wenn vom Leser die Rede ist, dass keine Frauen lesen. Die korrekte Auflösung des grammatischen Maskulinums (generisch ODER spezifisch) hängt doch immer an der schon bestehenden Vorstellungswelt: Wer an Frauen als Kapitäne gewöhnt ist, wundert sich auch nicht, wenn sich der Kapitän als Frau herausstellt. Übrigens ist es keine Ungerechtigkeit, wenn der Duden das Wort "Gästin" als veraltet markiert: Es IST eben in den letzten 100 Jahren außer Gebrauch gekommen, und es steht dem wissenschaftlich arbeitenden Lexikographen nunmal nicht an, Wörter nach Belieben aufzunehmen, sondern die derzeitige Standardsprache zu dokumentieren..

Geschrieben von mayhoth am 17.06.19 20:25

10  Christian

Weil oben das englische Wort Plummer genannt wurde, wollte ich auch noch die romanischen Sprachen anführen, in denen ganz klar geregelt ist, dass dann die weibliche Pluralform zu verwenden ist, wenn es sich lediglich um Frauen handelt. Es ist doch sehr interessant, dass nicht einmal die emanzipierten Französinnen verlangen, dass ihre Sprache geändert wird, im deutschen Sprachraum dagegen scheint dies ein großes Thema zu sein. Es würde mich einmal interessieren, warum dies nur im Deutschen ein Thema zu sein scheint...

Geschrieben von Christian am 11.10.19 23:54

11  Nikioko

Das Hauptproblem liegt wie so oft darin, dass die glühenden Verfechter (innen und außen) der politischen Korrektheit es bis heute nicht verstehen, dass es ein grammatisches (Kasus) und ein biologisches Geschlecht (Sexus) gibt, und dass diese nicht viel miteinander zu tun haben. Denn wie bezeichnet man denn eine männliche Geisel? Oder eine männliche Koryphäe? Oder eine männliche Waise?
Nachdem aus Studenten Studierende und Lehrlingen Auszubildene geworden sind: wo werden die Jünger (und Mäder?) des Gerundivums wohl als nächstes zuschlagen? Werden aus Schülern dann zu Schulende?

Geschrieben von Nikioko am 10.12.19 00:35

12  Nadine

Ich wüsste nicht, warum ich den Begriff „Gästin“ verwenden sollte. Er hört sich für mich falsch an. Wenn sich ein Gast ankündigt, kann sowohl ein Freund oder eine Freundin vorbeikommen. Sie sind bei mir zu Gast oder zu Besuch. Ich könnte also auch Besucher oder Besucherin wählen. Es gibt so viele Möglichkeiten, die fast nicht mehr in Betracht gezogen werden. Dieser krampfhafte Versuch, Wörter zu erfinden, weil man denkt, man könne Menschen besser hervorheben, ist zwar vom Ansatz her gut gemeint, aber das ist ja oft das Gegenteil von gut.

Geschrieben von Nadine am 11.06.20 17:14

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